„Höhere Ansprüche“ an Doktorat

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Die Zitierregeln des wissenschaftlichen Arbeitens haben sich nicht verändert. Doch das Internet macht heute eine leichtere Überprüfung möglich.

Wien/J.n. Kein Plagiatsverdacht schlug in Österreich größere Wellen als jener von EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP). Der ehemalige Wissenschaftsminister wurde zwar Ende 2011 entlastet, ein schlechter Beigeschmack blieb. Denn trotz Entlastung ließ Heinz Engl, der Rektor der Uni Wien, die Öffentlichkeit wissen: „Heute würde eine solche Dissertation nicht mehr angenommen.“ Stellt sich die Frage, ob sich die wissenschaftlichen Kriterien in den vergangenen Jahrzehnten derart verändert haben?

„Nein“ heißt es dazu vonseiten der Uni Wien. Es haben auch schon damals – vor 25 Jahren – dieselben Zitierregeln gegolten. Was sich verändert habe, sei lediglich der Anspruch, der an einen Doktoratsabschluss geknüpft werde. Das Doktorat sei lange der erste Studienabschluss gewesen, eine mehrteilige Studienarchitektur, wie diese heutzutage üblich ist, gab es damals noch nicht. Deshalb sei eine Dissertation, die vor einigen Jahrzehnten verfasst worden ist, auch eher mit einer Masterarbeit zu vergleichen als mit einer heutigen Dissertation.

Auch die wissenschaftliche Praxis habe sich weiterentwickelt. Zwar wurden die Regeln nicht verändert, jedoch die konkrete Überprüfung dieser. Dabei spielten die technischen Möglichkeiten, die sich durch den Computer und das Internet eröffnet haben, eine entscheidende Rolle. Das heißt: Nicht nur das Betrügen, sondern auch das Überprüfen etwaiger Verfehlungen ist einfacher geworden.

Mehr Plagiate durch mehr Aufklärungsarbeit

Die Diskussion über die prominenten Verdachtsfälle hatte in Österreich institutionelle Konsequenzen: Seit 2009 gibt es mit der Agentur für wissenschaftliche Integrität eine eigene Institution, die sich mit Verdachtsfällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten auseinandersetzt. Zwischen der Gründung der Einrichtung 2009 und Ende 2012 wurden 60 Anfragen an die Agentur herangetragen, in 21 wurde ein Verfahren eingeleitet.

Auch an den Universitäten selbst versucht man, Plagiarismus zu bekämpfen. Sämtliche Dissertationen, Diplom- und Magisterarbeiten werden elektronisch untersucht. Das ist ein durchaus großer Aufwand, wenn man bedenkt, dass allein an der Uni Wien, der größten Hochschule des Landes, pro Studienjahr etwa 5000 wissenschaftliche Arbeiten zur Beurteilung eingereicht werden. Die „Ausbeute“ ist dabei eher gering: Ein Plagiatsverfahren wurde zwischen dem Beginn der elektronischen Plagiatsprüfung (2005/06) und Ende 2012 in 31 Fällen eingeleitet. 16 Personen wurde der akademische Grad aberkannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2013)

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