Johanna Wanka hat eine ähnliche Biografie wie Deutschlands Kanzlerin. Die 61-Jährige hat als langjährige Landesministerin für Wissenschaft Erfahrung in der Materie gesammelt.
Berlin/Gau. Respekt für Schavan, Häme für die Regierung: In den Reaktionen auf den erzwungenen Rücktritt der deutschen Bildungsministerin ist beides zu finden. Vertreter aller Fraktionen verbeugten sich vor dem Lebenswerk der CDU-Politikerin, die am Dienstag wegen Plagiatsvorwürfen ihren Doktortitel verloren hatte und daraus am Samstag mit einem würdevollen Abgang die politische Konsequenz zog. Doch bei der Opposition mischte sich Schadenfreude ins Lob. Die schwarz-gelbe Koalition habe einen „krassen Fehlstart“ ins Wahljahr hingelegt, frohlockte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Und Andrea Nahles stellte ungerührt fest: „Zerstritten und schwach“ torkele die Regierung „ihrem Ende entgegen“.
Schnelle Wahl, schwaches Amt
Damit die SPD-Generalsekretärin mit ihrer Polemik nicht recht behält, musste Kanzlerin Merkel rasch handeln. Vor allem galt es, für ihre treue Freundin Annette Schavan sofort eine Nachfolge zu präsentieren, die nicht wie eine Notlösung wirkt. Die Wahl fiel auf Johanna Wanka. Die 61-Jährige hat als langjährige Landesministerin für Wissenschaft Erfahrung in der Materie gesammelt, erst in Brandenburg, zuletzt in Niedersachsen – als erste Ostdeutsche in einem westdeutschen Ministeramt.
Auch was den vertrauten Umgang mit der Kanzlerin betrifft, kann sie in die Fußstapfen ihrer Vorgängerin treten. Dass Merkel und Wanka eine ähnliche Sprache sprechen, hat mit ihren Biografien zu tun. Beide wuchsen in der DDR auf, beide planten eine wissenschaftliche Laufbahn – Merkel als Physikerin, Wanka in der Mathematik. Ihr naturwissenschaftliches Milieu bewahrte sie vor politischen Verstrickungen. Bis sie der Geist des Widerstands in den großen Wandel mit hineinriss: Von einer „irren Zeit“ erzählt Wanka, als sie das Neue Forum in Merseburg formierte und für Bürgerrechte auf die Barrikaden stieg. Beide jungen Frauen fanden zur CDU. Und beide sind heute mit Universitätsdozenten verheiratet. Als „Mini-Merkel“ tituliert der „Spiegel“ die Neue nicht ohne Grund.
Die reibungslose Übergabe scheint also gesichert. Dass sie auch eher lautlos über die Bühne gehen wird, liegt auch an der Schwäche des Ressorts. Bei der Bildung hat der Bund in Deutschland wenig mitzureden, fast alle wichtigen Entscheidungen treffen die Länder oder die Hochschulen. Die Aufgabe einer Bundesministerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ein Füllhorn an Geld möglichst gerecht und wirkungsvoll über wichtige Forschungseinrichtungen auszugießen.
Dennoch muss Wanka in Debatten Stellung beziehen. Stoff liefert ihre Haltung zu Studiengebühren. In Niedersachsen, neben Bayern das einzige Land, wo sie noch erhoben werden, setzte sich die zierliche, aber resolute Politikerin vehement für ihre Beibehaltung ein – mit ein Grund dafür, dass die CDU die Landtagswahl im Jänner verlor. Die Berufung nach Berlin bewahrt die als fleißig und zielstrebig bekannte Wanka vor ihrem „größten Horror“: „ohne Tätigkeit zu Hause zu sitzen“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2013)