Nicht Kontrolle, sondern Betreuung verhindert Plagiate

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Eine Aufwertung der Betreuung und stärkere Einbindung in die wissenschaftliche Community sollen Plagiaten an der Uni Wien vorbeugen. Trotzdem kommen immer noch viel zu viele Doktoranden auf einen Professor.

Wien. Der Rücktritt der deutschen Wissenschaftsministerin, Annette Schavan (CDU), hat nicht nur erneut eine Debatte über Plagiate und das wissenschaftliche Arbeiten entfacht, sondern auch eine Diskussion über die Rolle der Doktorväter (und -mütter) losgetreten. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche Rolle die Betreuer der entlarvten Plagiatoren spielen? Hätte ihnen die Täuschung bei einer gründlichen Begutachtung der Arbeit nicht sofort – im Fall von Schavan also bereits vor 33 Jahren – auffallen müssen?

Müssen nicht – es hätte aber auffallen sollen, meint Lucas Zinner, der das Doktorandenzentrum der Universität Wien leitet. Zwar könnten die Betreuer nicht die gesamte Literatur kennen. Bei einer intensiven Betreuung sollte aber ohnehin schon im Laufe des Entstehungsprozesses einer Arbeit erkannt werden, wie intensiv sich der Doktorand mit dem Thema auseinandersetzt, sagt Zinner im Gespräch mit der „Presse“. Das Prinzip sei einfach: „Je intensiver die Betreuung ist, desto unwahrscheinlicher werden Plagiate.“

Neue Betreuungsregeln

Deshalb hat die Uni Wien schon vor mehr als drei Jahren Vorkehrungen getroffen, die etwaigem Plagiieren vorbeugen sollen. Erster Schritt: Die Betreuung wurde aufgewertet und außerdem von der Beurteilung getrennt. In der Praxis heißt das, dass sich Doktorvater oder –mutter tatsächlich auf die Betreuung des Kandidaten konzentriert. Für die Beurteilung sollen zwei externe Beurteiler – die im Idealfall einer anderen Uni angehören – hinzugezogen werden.

Außerdem versucht die Universität, die Doktoranden verstärkt in den wissenschaftlichen Betrieb einzubinden. So sollen diese häufiger zum Besuch von Seminaren und Übungen verpflichtet werden. Der Hintergedanke dabei: Wer sich mit der wissenschaftlichen Community identifiziert, hält sich auch eher an die Spielregeln.

Was der Uni aber einen Strich durch die Rechnung machen könnte: die Betreuungsverhältnisse. Diese sind teilweise katastrophal und von internationalen Empfehlungen weit entfernt. Empfohlen wird, dass ein Wissenschaftler maximal fünf bis sieben Dissertanten gleichzeitig betreut. Würde dies eingehalten, könnten an der gesamten Uni Wien 2500 bis 3000 Doktoranden betreut werden – tatsächlich seien es derzeit aber rund 10.000, sagt Zinner.

Besonders dramatisch ist die Situation demnach in den Sozialwissenschaften. Rund 1800 Doktoratsstudenten sind derzeit an der Fakultät eingeschrieben, rund fünf Mal so viele, wie laut internationalen Empfehlungen vernünftig betreut werden könnten. Zusätzliche Schwierigkeit, sagt Zinner: Gerade an den Sozialwissenschaften sei die Themenvielfalt für Professoren oft nur schwer zu durchschauen. Viele würden auch Dissertationen betreuen, die nicht ihrem Spezialgebiet entsprechen und Dissertanten – auch im Angesicht eines gewissen „sozialen Drucks“ – nur ungern abweisen.

Schadenersatz möglich?

Dass die Universitäten stärker auf eine gute Betreuung achten sollten, ist übrigens auch aus einer anderen Perspektive ratsam: aus der juristischen. So könnten etwa Plagiatoren, denen der Titel entzogen wurde, ihre Uni unter Umständen auf Schadenersatz klagen – wegen Schädigungen im Beruf oder Einkommensverlusten, meint der Jurist Bernd-Christian Funk: „Wenn man einer Uni den Vorwurf machen kann, sie habe bei Betreuung und Begutachtung der Arbeit nicht alle Verpflichtungen erfüllt, kann das sicher eine Rolle spielen“, so Funk zur „Presse“. Auch wenn er nicht glaubt, dass man sich davon zu viel erwarten sollte: Schließlich wäre es ja trotz allem an den Doktoranden gewesen, ihre Arbeit korrekt zu verfassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2013)

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