WU-Wien: Eine neue Generation von Juristen

WU-Wien Juristen
WU-Wien Juristen(c) FABRY Clemens
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Die ersten Absolventen des WU-Studiums Wirtschaftsrecht stellen sich erfolgreich dem Arbeitsmarkt. Sie erweisen sich als starke Konkurrenz für klassische Juristen.

Wien. Die Wirtschaftsanwälte reagierten sehr positiv, als die WU-Wien 2006 mit dem Studium Wirtschaftsrecht startete. Ein Jusstudium völlig neuen Zuschnitts; denn neben der juristischen Ausbildung haben im Lehrplan betriebswirtschaftliche Fächer, Statistik, Mathematik und Fremdsprachen hohen Stellenwert. Rechtsgeschichte und römisches Recht gibt es nicht, dafür stehen Statistik, Controlling und Management auf dem Programm.

Gerade diese wirtschaftsrechtliche Ausrichtung ist es, die in der Praxis besonders Anklang findet. Abgänger des traditionellen Jusstudiums mussten sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, es mangle ihnen an Verständnis für ökonomische Zusammenhänge. Er verhallte nicht ungehört. Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten haben mittlerweile nachgezogen, Steuer-, Bilanz- und Finanzrecht sind anders als früher Pflichtfächer.

Nun aber können 90 Wirtschaftsjuristen – so viele haben bisher das Masterstudium beendet – zeigen, wie gut sie in ihrem Fach sind.

Vielen reicht der Bachelor

Zwei Drittel von ihnen hatten im ersten Semester noch angegeben, später bei einem Anwalt arbeiten zu wollen. Ob es tatsächlich so ist, steht noch nicht fest. „Wir führen gerade eine Befragung der Absolventen durch, um herauszufinden, in welchen Branchen sie nun tatsächlich tätig sind“, sagt Universitätsprofessor Georg Kodek, Programmdirektor des Masterstudiums Wirtschaftsrecht. „Ende des Sommersemesters wissen wir mehr.“

Was man bereits sicher sagen kann: Viele hören mit dem Bachelor-of-Law-Abschluss (LL.B) vorerst auf zu studieren und beginnen ihre Karriere in Unternehmen, bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Die beruflichen Perspektiven sind für sie durchaus interessant, denn für die Zulassung zur Prüfung zum Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer reicht der Bachelor aus. Wer allerdings Anwalt, Richter, Staatsanwalt oder Notar werden will, also einen klassisch juristischen Beruf anstrebt, muss den Master of Law (LL.M) vorweisen können.

Österreichs Wirtschaftsprüfungsgesellschaften merken jedenfalls schon, dass sich unter ihren Bewerbern mehr und mehr Wirtschaftsrecht-Bachelors finden: „Wir haben schon 30 von ihnen beschäftigt. Sie sind vor allem in der Steuerberatung tätig“, sagt Claudia Stingl, Senior Manager bei Deloitte. Bei der KPMG gibt es sie nur vereinzelt, wenngleich Personalchefin Ursula Vogler davon ausgeht, dass es schon bald mehr sein werden: „Die Wirtschaftsrecht-Absolventen bringen neben dem juristischen auch solides steuerrechtliches und buchhalterisches Wissen mit. Gerade für die Steuerberatung ist das eine gute Voraussetzung. ,Reine‘ Juristen erfüllen unsere Anforderungen nur selten.“

Informationsdefizit in der Praxis

Nach dem Bachelor aufzuhören, wäre für Florian Blesky nicht infrage gekommen. Für ihn stand fest, dass er Anwalt werden will. „Das Studium ist so ausgerichtet, dass man danach für eine Wirtschaftskanzlei prädestiniert ist.“ Einen Job fand er sofort. Er arbeitet bei der Wirtschaftskanzlei CMS und schreibt zeitgleich an seiner Dissertation. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in der Praxis ein großes Informationsdefizit über das Studium besteht. Insbesondere kleinere Anwaltskanzleien, aber auch Behörden, wissen wenig über die Inhalte. Einige meiner Kollegen hatten anfänglich sogar Schwierigkeiten, mit dem Gerichtsjahr zu beginnen. Es hieß, mit unserem Abschluss werde man nicht zugelassen.“

Doch die Schleier lichten sich, weil Anwälte schon erste Eindrücke von dem neuen Juristentypus gewinnen konnten: „Wir haben 2012 eine Absolventin angestellt und konnten uns davon überzeugen, dass ihre Ausbildung ganz ausgezeichnet ist. Deshalb sind wir an weiteren Abgängern dieses Studiums sehr interessiert“, sagt Gerhard Hermann. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie. Auch Barbara Stimpf-Abele, Personalchefin bei Wolf Theiss, konnte sich schon ein Bild machen: „Wir hatten einige Rechtspraktikanten von der WU bei uns und gute Erfahrungen gemacht. Besonders die Englischkenntnisse und der wirtschaftliche Background sind stärker ausgeprägt als bei Absolventen vom Juridicum.“ Deshalb zählt sie Wolf Theiss zu jener Zielgruppe, die künftig noch viel stärker angesprochen werden soll. Offen zeigt sich auch Stephan Polster, Recruitment-Partner von Dorda Brugger Jordis: „Das Studium ist eine Bereicherung, wir versprechen uns viel davon. Es ist einfach wichtig, dass auch ein Jurist eine Bilanz lesen und verstehen kann.“ Ein paar Bedenken hat er dennoch: Die Ausbildung sei noch jung, es sei noch zu früh, um beurteilen zu können, „ob sie das juristische Grundwissen, das für einen Wirtschaftsjuristen mindestens genauso wichtig ist, in der gleichen Tiefe vermitteln kann wie das klassische Studium der Rechtswissenschaften.“

Auf einen Blick

Das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuni Wien dauert drei Jahre und schließt mit dem Bachelor of Law (LL.B.) ab.

Das Masterstudium dauert mindestens zwei Jahre und schließt mit dem Master of Law (LL.M) ab. Nur mit diesem Abschluss kann man zu einer klassisch juristischen Berufsausbildung (Notar, Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt) zugelassen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2013)

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