ÖH-Wahl. Österreichs Studierende entscheiden ab Dienstag, wie ernst sie politisch genommen werden wollen. Entscheidend wird die Wahlbeteiligung. Von Christoph Schwarz
Wien. Wenn am Dienstag die Wahl zur Österreichischen HöchschülerInnenschaft (ÖH) startet, sind alle ordentlichen Studierenden an den 21 heimischen Unis gefordert, für die kommenden zwei Jahre ihre gesetzliche Vertretung zu wählen. Sie tun das weitgehend unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit. Vor allem dieses Jahr steht der Urnengang im Schatten des von Landtags- und Nationalratswahl dominierten „Superwahljahres“.
Dabei ist die Zahl der Wahlberechtigten alles andere als gering. Rund 300.000 Menschen studieren an den Unis, 266.000 davon sind wahlberechtigt. Hinzu kommen mehr als 40.000 Studenten an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen, die ebenfalls ihre Vertretung wählen. Die Wählerschaft ist damit fast so groß wie jene bei der Salzburger Landtagswahl.
Die Studierenden könnten damit eine weit größere politische Macht darstellen, als sie es derzeit sind. Dass die Studentenvertreter in der öffentlichen Wahrnehmung an der Grenze zur politischen Bedeutungslosigkeit agieren, hat mehrere Ursachen. Zuletzt fiel die linke ÖH-Exekutive mit ihrem kategorischen „Nein“ zu Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen bestenfalls durch (erfolglose) Blockade auf.
Die guten Ideen der ÖH werden zudem von einem Finanzskandal an der Uni Wien überdeckt. Die ÖH steht dort mit dem gescheiterten Café Rosa und Verlusten von 500.000 Euro seit mehr als einem Jahr negativ in den Medien und beschädigte damit die gesamte Institution. Während die Fraktionen diskutieren, ob sie Gesellschaftspolitik oder doch ausschließlich Service machen sollen, haben sie einen Gutteil ihrer Wähler längst verloren. Zuletzt lag die Wahlbeteiligung bei niedrigen 28,5 Prozent. Dass die Studenten sich nur schwer mit ihrer Vertretung identifizieren, wurde von der Politik – vor allem von Schwarz-Blau – auch absichtlich herbeigeführt. Seit 2005 wird die Bundesvertretung nicht mehr direkt gewählt. Diese wird über die Unis bestellt.
Und dennoch: Gerade in diesem Jahr könnte der Ausgang der Wahl Richtungsweisendes mit sich bringen. Vor allem für die Grünen und ihre Studierendenorganisation Gras sowie für die SPÖ und ihren Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) kann sie als erster Test für die Nationalratswahl gelten. Beide Parteien buhlen um die Gunst gebildeter junger Menschen. Eine regelrechte Testwahl wird es für die Jungen Liberalen (JuLis), die bei der Nationalratswahl mit den Neos kandidieren. Die JuLis halten bei 4,5Prozent der Stimmen und müssen beweisen, dass ihre – für Studenten ungewöhnlichen – Forderungen nach Studiengebühr und Beschränkungen ankommen. Eine Niederlage bei der ÖH könnte die Stimmung der Neos stark dämpfen.
Erstmals eine Große Koalition?
Nicht zuletzt kann es bei den Verhandlungen über die Exekutive der Bundes-ÖH zu einer Überraschung kommen. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) wird von den Roten erstmals nicht als Koalitionspartner ausgeschlossen. Es besteht Sehnsucht nach der Großen Koalition. Die AG will endlich an die Macht, der VSStÖ erhofft sich mit den pragmatischen Schwarzen eine leichtere Umsetzung der eigenen Projekte. Die AG will, wie es heißt, sogar ÖVP-Chef Michael Spindelegger direkt mit SPÖ-Chef Werner Faymann verhandeln lassen. Wenn SPÖ und ÖVP im Herbst wieder zueinanderfinden, könnten sie damit erstmals in Verhandlungen beide ihren eigenen Studentenvertretern gegenübersitzen. Entscheidend wird die Wahlbeteiligung sein: Nur wenn sie steigt, wird die ÖH befreit agieren können, statt ständig ihre Legitimation argumentieren zu müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2013)