„Müssen sorgfältig mit Zeit der Studenten umgehen“

Lehre. Arthur Mettinger, Rektor der FH Campus Wien, hält Onlinekurse für eine gute Idee. Vorlesungen ausschließlich zu streamen sei schlecht.

Die Presse: Sie waren Vizerektor der Uni Wien, sind nun Rektor der FH Campus Wien und können also Vergleiche ziehen. Bemühen sich die Unis oder die FH mehr um die Lehre?

Arthur Mettinger: Global kann man das nicht sagen. Der große Unterschied ist, dass an den Unis die Forschung vor der Lehre an erster Stelle steht, während es an den Fachhochschulen umgekehrt ist – das ist sogar gesetzlich so geregelt. An den Fachhochschulen ist demnach tatsächlich die Lehre unsere Kernaufgabe.

Folglich müsste die Lehre an den FH ja auch besser sein.

Ich kann schon gewisse Unterschiede ausmachen. Die FH funktionieren stark nach dem Konzept der Studiengänge. Folglich hat jede Studiengangsleitung auch qualitätssichernde Aufgaben. Die FH Campus Wien ist außerdem gerade dabei, eine eigene Lehrphilosophie zu entwickeln. Ein paar Punkte sind uns dabei besonders wichtig: Die Lehre muss studierendenzentriert und auf dem aktuellsten Stand sein. Zudem sollen vermehrt neue Medien eingesetzt werden. Denn wir haben viele Studierende, die neben dem Beruf studieren, und mit deren Zeit müssen wir sehr sorgfältig umgehen.

Haben Sie derartige Bemühungen an der Uni Wien auch erlebt?

Der Vergleich von einer Uni mit 90.000 Studierenden und einer FH mit 4630 ist schwierig. Ich habe an der Uni Wien viele motivierte Lehrende erlebt. Aber ich habe auch erlebt, dass manche der Lehre nicht den Stellenwert gegeben haben, den diese verdient hätte.

Was war der Grund dafür?

Die zur Verfügung stehende Zeit ist begrenzt. Darum stehen Forschung und Lehre in einem Konkurrenzverhältnis. Für die Karriere von Wissenschaftlern ist es oft wesentlicher, gut und viel zu publizieren als gut und viel zu unterrichten.

Was ist moderne Lehre?

Darunter kann man viel verstehen. Oft wird das mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie assoziiert. Moderne Lehre ist in meinen Augen aber auch eine Lehre, die den Studierenden in den Mittelpunkt stellt. Der Wissensstand der Studierenden muss beachtet und die Methode darauf abgestimmt werden. Auf diese Weise kann auch eine Großvorlesung didaktisch so interessant gestaltet sein, dass sie nicht langweilig wird.

Muss ein guter Forscher etwas für die Lehre übrig haben?

Ein guter Forscher sollte – wenn er an einer Institution arbeitet, die Forschung und Lehre verbindet – natürlich auch etwas für die Lehre übrig haben.

Bedeutet gute Lehre, dass das System verschulter wird?

Nein, das glaube ich nicht. Man muss überlegen, welche didaktischen Konzepte sich für welche Art der Wissensvermittlung am besten eignen. Vereinfacht gesagt: Laborübungen brauchen andere didaktische Konzepte als eine Einführungsvorlesung.

Ein gutes Beispiel für moderne Lehre ist die Harvard University. Diese bietet immer mehr Onlinekurse an. Ist das etwas, das für die FH zielführend sein kann?

Ich glaube schon, dass es notwendig ist, zeit- und ortsunabhängige Lehrmaterialien zu haben. Das kann durchaus auch heißen, dass wir Lehrveranstaltungen streamen. Es wäre außerdem interessant, gewisse Experimente, die man nicht in der Realität durchführen kann, in einer Videosimulation zu zeigen.

Sollen Studien auch ausschließlich online angeboten werden?

Ich halte den persönlichen Kontakt für essenziell. Präsenzphasen und computergestützte Phasen müssen sich abwechseln. Ich stehe auf dem etwas altmodischen Standpunkt, dass ein Studium auch Teil der Lebenserfahrung ist. Der Kontakt zu anderen Studierenden und Lehrenden ist wichtig. Das Erlebnis Universität oder FH sollte man wirklich haben.

Zu Hause auf der Couch zu sitzen und die Vorlesungen zu streamen ist also zu wenig?

Wenn man es ausschließlich so macht, dann scheint mir das nicht der richtige Weg zu sein.

Themenwechsel: Die FH Campus Wien will nun auch bei der Ausbildung von Pädagogen mitmischen. Warum eigentlich?

Wir starten im kommenden Wintersemester das erste Bachelorprogramm für Kindergartenleiterinnen. Und später wollen wir auch bei der neuen Pädagogenbildung ein Wörtchen mitreden. Wir wollen den Pädagogischen Hochschulen nichts wegnehmen. Aber jede Institution sollte ihre Stärken in diesem Bereich einbringen.

ZUR PERSON

Arthur Mettinger (57) ist seit März vergangenen Jahres Rektor der Fachhochschule Campus Wien. In dieser Funktion kann der habilitierte Anglist auch sein Wissen über die heimische Universitätslandschaft einbringen: Vor seiner Tätigkeit an der FH war er zwölf Jahre lang (1999–2011) als Vizerektor für Lehre und Internationales an der Uni Wien tätig und leitete zehn Jahre lang das Forum Lehre der österreichischen Universitätenkonferenz. Mettinger ist aber nicht nur ausgewiesener Experte für Hochschullehre: Der Sprachwissenschaftler, der neben Anglistik auch Slawistik und Sinologie studierte, war von 1977 bis 1987 Mitgestalter der Russisch-Sprachkurse im ORF.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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