Psychologische Alternativen

Studienwahl. Das Psychologiestudium ist beliebt – und regelmäßig überlaufen. Was viele nicht wissen: Es gibt Alternativen, vor allem im künstlerischen/therapeutischen Bereich.

Stolze 1800 Bewerber, nur 500 Plätze: Der Ansturm auf das Psychologiestudium an der Uni Wien war auch heuer ungebrochen. „Der Wunsch, psychische Prozesse bei sich selbst und anderen Menschen verstehen zu können, mag einer der Hauptgründe für das ungebrochene Interesse am Psychologiestudium sein“, meint Gerhard Tucek, Leiter des Studiengangs „Musiktherapie“ an der IMC Fachhochschule Krems.

Gestalten statt diagnostizieren

Oft stellt sich aber heraus, dass sich die Vorstellungen über das Studium gar nicht erfüllen. „Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen eigentlich eine Ausbildung in Psychotherapie machen wollen und das mit einem Psychologiestudium verwechseln“, sagt Erwin Bakowsky, Geschäftsführer des Instituts für Mal- und Gestaltungstherapie/Kunsttherapie. „Es kann gut sein, dass es zu Enttäuschungen und Abbrüchen kommt, da das herkömmliche Psychologiestudium wenig Selbsterfahrung, dafür umso mehr trockene Materie wie Statistik behandelt.“

Eine Ausbildung zum Psychotherapeuten ist allerdings sehr kostspielig – je nach Ausbildungsträger, Umfang und Dauer kosten Propädeutikum, Selbsterfahrung und Spezialisierung zwischen 25.000 und 50.000Euro. Die Mal-/Gestaltungs-/Kunsttherapie ist ebenfalls nicht gratis: Rund 3000 Euro sind jährlich dafür zu bezahlen. Nach einem viersemestrigen Kreativtraining kann man sich hier in einem zusätzlichen Jahr zum Mal- und Gestaltungstherapeuten ausbilden lassen. Die Möglichkeit zur Weiterbildung nehmen vor allem Menschen mit psychosozialem, pädagogischem und ärztlichem Berufshintergrund in Anspruch. „Spezialisierung sollte erst dann kommen, wenn es dazu die entsprechende Berufspraxis gibt. Insgesamt ist aber Spezialisierung wichtig, da das Gebiet der Psyche und Psychologie zu umfangreich geworden ist. Das ist kaum noch in seiner Gesamtheit fassbar“, erläutert Bakowsky.

Musikalische Kommunikation

Als FH-Studium kostenlos sind Bachelor und Master für Musiktherapie an der IMC FH Krems. „Musiktherapie ist ein sehr praxisbezogenes Studium, in dem Musik als besondere Form der Kommunikation eingesetzt wird“, erklärt Tucek. Er spricht von einem Boom in diesem Bereich, denn nächstes Jahr findet in Krems der Weltkongress für Musiktherapie statt, 2016 ist Wien Austragungsort für den europäischen Kongress für Musiktherapie. Und auch die Berufschancen stehen gut. Nach dem Bachelor nehmen viele eine klinische Anstellung an, um später den Master nachzuholen. „Dies begründet sich in der österreichischen Gesetzeslage, die Bachelorabsolventen eine mitverantwortliche Berufsausübung im Rahmen eines Dienstvertrags und Masterabsolventen eine eigenverantwortliche Berufsausübung im Rahmen einer eigenen Praxis oder eines (freien) Dienstverhältnisses ermöglicht“, erklärt Tucek. Ausnahme: das Diplomstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Dort erlangen Studierende mit ihrem Abschlusses direkt die Berechtigung zur eigenverantwortlichen Berufsausübung.

Geballte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in psychologischer Hinsicht bietet auch die Sigmund-Freud-Privatuniversität – allerdings kostenpflichtig: neben einem Psychologiestudium (Bachelor, Master, Ph.D.) auch Psychotherapiewissenschaft oder Zusatzqualifikationen wie Lebens-und Sozialberatung. Außerdem werden Spezialausbildungen im Rahmen von Universitätslehrgängen in den Bereichen Kunsttherapie, Verkehrspsychologie sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie angeboten.

Web:www.fh-krems.ac.at,www.mgt.or.at,

www.sfu.ac.at,

www.psyonline.at,

LEXIKON

www.bmg.gv.atDas Studium der Psychotherapiewissenschaft vermittelt die wissenschaftlichen Grundlagen gesunder und pathologischer menschlicher Entwicklung. Vermittelt werden die Diagnostik von gesunden und kranken Erscheinungen, die Grundlagen der wissenschaftlich begründeten Behandlung von erlebnisbedingten Krankheitsbildern unter Einbeziehung der psychologischen, medizinischen, soziologischen und anthropologischen Dimensionen.

In der Psychotherapie werden eine psychische Erkrankung, psychische Folgen körperlicher Erkrankungen oder Probleme der Lebensführung gezielt behandelt. Dazu werden diverse Methoden von kognitiver Verhaltens- oder Gesprächstherapie bis zur Psychoanalyse angewandt.

In der Musiktherapie wird mit Tönen, Melodien und Rhythmen kommuniziert und gearbeitet. Sie steht in Beziehung zu den Heilberufen Medizin, Psychotherapie und Psychologie.

Die Mal- und Gestaltungstherapie ist imaginatives Verfahren mit tiefenpsychologischem Grundkonzept, das durch Bilder und Gestaltungen innerseelischen Prozessen neue Ausdrucksmöglichkeiten ermöglicht.

Die Kunsttherapie sucht eine innerpsychische Erlebnisform in einem bildnerischen Medium zu spiegeln und macht es möglich, Erlebnis- und Ausdrucksformen anders, neu- und umzuorientieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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