Hochqualifizierte verlassen Österreich

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Vor allem Personen im typischen Uni-Abschlussalter bzw. am Beginn der Karriere wandern ab. Männer gehen häufiger weg als Frauen.

Vor allem junge Österreicher zwischen 25 und 35 Jahren mit hoher Qualifikation verlassen ihr Heimatland. Das zeigen Zahlen der Statistik Austria, für die erstmals Bildungsregister und Wanderungsstatistik miteinander verknüpft wurden, so der Vizerektor der Uni Wien, Heinz Faßmann, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien.

Bereits seit Jahren übertreffe die Zahl der Abwanderer mit österreichischer Staatsbürgerschaft jene der Rückwanderer. In den vergangenen zehn Jahren seien durchschnittlich zwischen 20.000 und 25.000 Österreicher pro Jahr weggezogen - vor allem nach Deutschland, in die Schweiz, die Türkei (durch Rückzug eingebürgerter Gastarbeiter im Pensionsalter), nach Nordamerika und Großbritannien. Zurückgekommen sind im Schnitt lediglich rund 15.000 Österreicher pro Jahr. Das ergibt unter dem Strich einen negativen "Wanderungssaldo" von 5000 bis 10.000 Personen pro Jahr.

Mehr Männer als Frauen gehen weg

Mit der Datenverknüpfung hätten nun erstmals Aussagen zur demografischen bzw. Qualifikationsstruktur der Abwanderung getroffen werden können, so Faßmann. Demnach wandern vor allem Personen zwischen 25 und 35 Jahren aus Österreich ab, also im typischen Uni-Abschlussalter bzw. am Beginn der danach folgenden Karriere. Insgesamt ziehen mehr Männer als Frauen weg, bei den Männern gibt es außerdem vor allem bei Facharbeitern einen zweiten "Abwanderungsschub" zwischen 40 und 45 Jahren.

Die höchsten Wegzugsraten verzeichnen dabei Hochschulabsolventen und AHS-Maturanten - letztere würden offenbar bereits ihr Studium anderswo absolvieren, so Faßmann. Am seltensten wandern Absolventen hochschulähnlicher Einrichtungen ab. Das sind vor allem die an den ehemaligen Pädagogischen Akademien ausgebildeten Pflichtschullehrer. Personen mit der Pflichtschule als höchster abgeschlossener Ausbildung ziehen eher aus Österreich weg als Lehrabsolventen bzw. Abgänger von berufsbildenden mittleren und höheren Schulen.

Nach Fachrichtungen bzw. Ausbildungsfeld betrachtet zieht es vor allem Personen mit naturwissenschaftlicher Ausbildung ins Ausland, gefolgt von Geisteswissenschafts- und Kunst-Absolventen. Kaum Abwanderungsgelüste hegen dagegen erwartungsgemäß Landwirte und Pädagogen.

„Wir haben ein Brain-Drain-Problem“

Es ziehen aber nicht nur inländische Absolventen ins Ausland, sondern auch ausländische Studenten nach Beendigung ihrer Ausbildung in Österreich. Derzeit sind rund ein Viertel der Studenten an österreichischen Unis und sogar 38 Prozent der Studienanfänger Ausländer. Diese werden aber nicht gehalten: Weniger als 20 Prozent der ausländischen Absolventen beantragen nach Studienabschluss erneut eine Aufenthaltserlaubnis.

Ein ähnliches Bild zeigt ein Blick auf die Zahlen der Rot-Weiß-Rot-Card: 2013 wurden nur 214 Karten an ausländische Studienabsolventen ausgegeben - bei rund 1700 Graduierten aus Drittstaaten. Das sind rund zwölf Prozent. "Die Rot-Weiß-Rot-Card war gut gemeint", meinte Voestalpine-Chef Wolfgang Eder. "Aber so, wie sie gehandhabt wird - was den Aufwand betrifft und die Administration -, ist das sehr demotivierend. Gerade international mobile Leute, die auf Effizienz schauen, wollen nicht siebenmal zum gleichen Schalter gehen."

"2000 Euro für Erstjob sind eine Hürde"

Auch Faßmann forderte Nachjustierungen bei Studienabsolventen: So müsse etwa die erlaubte Job-Suchdauer von sechs Monaten ausgedehnt werden - in Deutschland betrage sie 18 Monate. Außerdem seien die Einkommensgrenzen zu hoch: "2000 Euro für den Erstjob ist schon eine ordentliche Hürde." Nötig wäre zudem auch ein Ausdehnen auf Bachelor-Absolventen sowie ein "administratives Umdenken" in Richtung One-Stop-Shop: "Wenn man weiß, wie Akten zwischen MA 35 und AMS hin- und hergeschoben werden, ist das frustrierend."

Probleme für qualifizierte Arbeitskräfte ortete Eder auch in der hohen Staatsquote. "Österreich ist auch vom gesellschaftlichen und politischen Umfeld her unattraktiv, nicht zuletzt auch aufgrund der steuerlichen Situation." So wäre etwa die Gehaltssituation ohnehin nicht berauschend: "Wenn man vom Start weg 35 Prozent Steuern zahlt, fragt man sich, warum man arbeitet." Gerade junge, gut ausgebildete Leute wollten Freiräume: "Die sagen, wenn ich die Arbeitszusatzkosten sehe, dann gehe ich nach Katar, Singapur oder Pressburg, London oder Birmingham."

Uni Wien will „Brain Circulation“

Uni-Wien Rektor Heinz Engl strebt eine "Brain Circulation" an: "Wir wollen ja nicht, dass alle unsere Absolventen gleich in Österreich tätig werden. Es ist wichtig, dass man anderswo Erfahrungen macht - aber dann muss man auch die Chance haben, wieder nach Österreich zurückzukommen." Dafür brauche es aber sowohl attraktive Karrieremodelle an den Unis als auch entsprechende finanzielle Mittel für die Hochschulen.

Bei Berufungsverhandlungen komme es sowohl auf die Laborsituation bzw. Ausstattung eines Lehrstuhls als auch auf die Gehaltsmöglichkeiten an. Hier pflichtete er Eder bei: "Wir sind ein Hochsteuerland - das merke ich immer wieder bei Kandidaten aus Deutschland und den USA. Wir müssen viel höhere Bruttogehälter bieten, damit für sie netto gleich viel übrig bleibt wie an den Konkurrenzunis."

(APA)

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