Studenten fordern neue Wirtschaftslehre

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Wirtschaftsstudenten aus 19 Ländern fordern eine Öffnung ihres Fachs gegenüber alternativen Lehrmeinungen - etwa der marxistischen Tradition.

In einem "Manifest gegen die Krise der Ökonomie" fordern Wirtschaftsstudenten aus 19 Ländern eine Neuausrichtung ihres Fachs. Nicht nur die Wirtschaft stecke in der Krise, sondern auch "die Art, wie Ökonomie an den Hochschulen gelehrt wird", kritisieren die Autoren des Aufrufs, darunter auch Volkswirtschaftsstudenten der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Die "International Students Initiative for Pluralism in Economics" (ISIPE) ortet derzeit eine "besorgniserregende Einseitigkeit der Lehre, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verschärft hat". "Die derzeitig fehlende intellektuelle Vielfalt beschränkt nicht nur Lehre und Forschung, sie behindert uns im Umgang mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts." Der Aufruf wird auch von Forschern unterstützt, darunter der Autor des derzeitigen Wirtschafts-Bestsellers "Economy in the 21st Century", Thomas Piketty.

"Unterschiedlichen Perspektiven und Ideen"

Die Studenten fordern vor allem eine Öffnung gegenüber alternativen Lehrmeinungen. "Wir maßen es uns nicht an, die endgültige Richtung zu kennen, sind uns aber sicher, dass es für Studierende der Ökonomie wichtig ist, sich mit unterschiedlichen Perspektiven und Ideen auseinanderzusetzen." Derzeit würden die Lehrpläne meist den Stand der Wissenschaft nicht abbilden. "Während in anderen Disziplinen Vielfalt selbstverständlich ist und sich widersprechende Theorien als gleichberechtigt gelehrt werden, wird die Volkswirtschaftslehre häufig dargestellt, als gäbe es nur eine theoretische Strömung mit eindeutigem Erkenntnisstand." "Niemand würde einen Abschluss in Psychologie ernstnehmen, der sich nur mit Freudianismus beschäftigt, oder ein politikwissenschaftliches Studium, in dem nur der Leninismus auftaucht", kritisieren die Studenten.

Die Initiative will daher eine stärkere Berücksichtigung von vom Mainstream abweichenden Ansätzen und so "die Realität in die Hörsäle zurückholen". Neben den "für gewöhnlich gelehrten auf der Neoklassik basierenden Ansätzen" sei es nötig, auch andere Schulen wie die klassische, die post-keynesianische, die institutionelle, die ökologische, die feministische, die marxistische und die österreichische Tradition einzubeziehen. Denn: "Eine Wirtschaftswissenschaft, die die Krise nicht vorhersagen, nicht analysieren und keine Schlüsse daraus ziehen kann, muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihre Funktion erfüllt."

(APA)

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