Uni-Rankings: „Nicht alle Unis müssen Harvard sein“

File of students taking their seats for the diploma ceremony at Harvard University in Cambridge
File of students taking their seats for the diploma ceremony at Harvard University in Cambridge(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Zwei der Macher des neuen europäischen U-Multirank erklären, warum der Ruf einer Uni nichts in Ranglisten verloren hat. Außerdem wünschen sie sich „Warnhinweise“ für Rankings.

Die EU-Kommission hat es als größtes Hochschulranking der Welt angekündigt – nur eines erfüllt das neue U-Multirank nicht: Eine klassische Rangliste sucht man vergebens, eine beste Uni gibt es nicht (siehe Lexikon). Die Hochschulen werden vielmehr nach 31 Indikatoren bewertet. Es gibt Noten von A bis E, dazu kommen noch Bewertungen einzelner Fachbereiche. Don F. Westerheijden und Katharina Krug waren federführend an der Entwicklung beteiligt.

Die Presse: In einer Rangliste für Rankings würde U-Multirank in einer Kategorie sicher vorn landen – in der des kompliziertesten. Ist das ein Problem?

Katharina Krug: Ja, das Ranking ist komplex. Das liegt auch daran, dass das Hochschulsystem kompliziert ist. Es gibt Universitäten und Fachhochschulen, große und kleine Institutionen. Man kann nicht alles in eine einzige Liste packen.

Don Westerheiiden: Andere Rankings vereinfachen die Realität. Die Forschungsdaten, auf denen andere Rankings basieren, sagen aber nichts darüber aus, wie Studenten ihr Studium erleben, die internationalen Zitierungen nichts darüber, inwiefern sich eine Uni mit ihrer Region auseinandersetzt. Unterschiedliche Hochschulen haben unterschiedliche Zielsetzungen, die man auch gesondert messen muss.

Der Macher des THE-Rankings ist gegenteiliger Meinung. Alle guten Unis hätten dieselbe Mission.

Westerheijden: Das mag für eine Minderheit der Unis so sein. In den herkömmlichen Rankings werden nur jene abgebildet, die ein gewisses Publikationsvolumen haben. Wir haben absichtlich die anderen hineingenommen, damit auch die ihre Exzellenz zeigen können.

Bei der Veröffentlichung des ersten U-Multirank hat in Österreich gefühlt jede Hochschule bekannt gegeben, dass sie in irgendeinem Bereich spitze ist. Ist das wirklich die Idee der Sache?

Krug: Es gibt viele Studenten auf der Welt – und nur ganz wenige gehen nach Harvard oder ans MIT (Massachusetts Institute of Technology, Anm.). Jeder will etwas anderes. Manche möchten an einer kleinen, regionalen Uni studieren, andere an einer großen, internationalen, wieder andere an einer kleinen, internationalen. Bei unserem Ranking gibt man an, was einem wichtig ist. Auf dieser Basis werden Universitäten verglichen, die einander ähnlich sind.

Irgendeine Hochschule wird ja trotzdem die meisten Spitzenplatzierungen haben. Was spricht dagegen, die beste zu küren?

Westerheijden: Dass es bedeutungslos wäre. Dafür müsste man verschiedene Indikatoren gewichten und erst recht wieder ein einheitliches Modell für alle erstellen. Das können und wollen wir nicht. Denn die Hochschulen haben eben unterschiedliche Ziele; eine macht Forschung auf Weltklasseniveau, eine andere bildet ausgezeichnete Absolventen aus.

Ein Kritikpunkt war, dass sich die Europäer mit U-Multirank ein eigenes Ranking basteln, damit sie einmal vorn liegen. Ist das so?

Krug: Nein. Wir bewerten ja jede Uni gleich. Aber natürlich geht es um die Sichtbarkeit: Derzeit sieht man immer nur zehn Prozent der Unis. Harvard, Oxford, das MIT sind das Idealbild. Aber das ist ja nicht so. Nicht alle Universitäten müssen wie Harvard sein. Wir wollen den restlichen 90 Prozent einen Platz geben, die immer außen vor gelassen werden.

Westerheijden: Und man muss sagen, die Ivy-League-Unis machen ja auch in den USA nur einen ganz kleinen Teil der Hochschulen aus.

Soll U-Multirank eines Tages alle Rankings ersetzen?

Krug: Das muss nicht sein. Inwiefern ein Ranking hilfreich ist, hängt davon ab, was man wissen will. Jemand, der sich für den Ruf einer Uni interessiert, ist bei uns an der falschen Adresse. Wir fragen Professoren nicht, was sie von ihren Kollegen halten. Wir finden, dass so etwas nicht in ein Ranking gehört.

Brauchte es für Rankings eine Art Beipackzettel?

Westerheijden: Ja, eine Art Warnhinweis bräuchte es für alle. Man sollte nicht zu viel Gewicht auf Rankings legen. Sie sind ein Hilfsmittel, mehr nicht. Und nicht das einzige.

Sie haben immer wieder von Studenten gesprochen: Ist es realistisch, dass eine Studienwahl anhand von Rankings abläuft?

Westerheijden: Derzeit nicht wirklich. Studien zeigen, dass Rankings vor allem von Schülern verwendet werden, die ohnehin schon ziemlich gut wissen, was sie wollen. Aber es geht dorthin, dass Rankings wichtiger werden.

Krug: Für internationale Studierende sind Rankings jetzt schon von Bedeutung. Studenten werden immer mobiler, und sie wählen strategisch. Diese Studenten würden sich auch U-Multirank anschauen.

Was kann man über die österreichischen Hochschulen sagen?

Westerheijden: Wir haben noch nicht genug Erfahrung, um sagen zu können, so sind die typisch österreichischen Unis. Klar ist, dass sie in Sachen Lehre nicht so gut abschneiden. Aber wiederum nicht wesentlich anders als viele anderen europäischen Länder.

Krug: Eine Überraschung war, dass die Fachhochschule Wiener Neustadt so oft ganz oben mitspielt.

ZU DEN PERSONEN

Don F. Westerheijden (54) und Katharina Krug (26) forschen am Center for Higher Education Policy Studies der Uni Twente (Niederlande). Sie sind federführend an der Entwicklung des neuen, von der EU finanzierten Hochschulrankings U-Multirank beteiligt, das im Mai veröffentlicht wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2014)

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