Rot-Weiß-Rot-Karte: Stopp für Akademikerabwanderung?

Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference in Vienna
Austrian Vice Chancellor Mitterlehner addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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ÖVP-Minister machen wieder Druck für eine Reform. Nur jede zehnte Karte wurde bisher an Uni- oder FH-Absolventen vergeben. Infrage kämen deutlich mehr Personen.

Wien. Die ÖVP legt eine beträchtliche Beharrlichkeit an den Tag, was die Rot-Weiß-Rot-Karte angeht. Und so machten schwarze Minister gestern, Mittwoch, einmal mehr Druck für eine Reform des Modells, mit dem ausländische Fach- und Spitzenkräfte nach Österreich geholt werden sollen. Oder besser gesagt: mit dem sie mitunter in Österreich gehalten werden sollen. Das ist jener Punkt, an dem Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz gemeinsam mit Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl den größten Reformbedarf sehen.

Die momentane Situation sei „skurril“, sagt Mitterlehner: So studieren in Österreich rund 90.000 Studenten aus dem Ausland – aber nur wenige bleiben nach ihrer Ausbildung auch tatsächlich im Land. Nicht zuletzt liege das an den Bedingungen, sprich: an den Problemen der Rot-Weiß-Rot-Karte.

1. Welche Reformen will die ÖVP bei der Rot-Weiß-Rot-Karte?

Auch Ausländer, die ein Bachelorstudium abgeschlossen haben, sollen Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte haben. Die Einkommensgrenze – derzeit bei 2038,50 Euro – soll flexibler gehandhabt werden: Bei einem 30-Stunden-Job sollte sie aliquot berechnet werden, auch sollten die Einkommen aus mehreren Teilzeitjobs zusammengerechnet werden können. Zudem soll die Frist für die Suche nach einer Stelle von derzeit sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Über diese Punkte werde gerade mit Innen- und Sozialministerium verhandelt. Bei Frist und Einkommen gebe es laut Mitterlehner auch „Bewegung“.

2. Was sagt der Koalitionspartner – und warum bremst die SPÖ?

Das Sozialministerium bremst aber sowohl beim Bachelor – nicht zuletzt sei auch hier die Arbeitslosigkeit gestiegen – als auch bei der Einkommensgrenze: Dass es hier eine Annäherung gebe, wollte man im Büro von Rudolf Hundstorfer (SPÖ) nicht bestätigen. Was eine Senkung der Grenze betreffe, liege jedenfalls der Verdacht nahe, dass so letztlich schlicht Löhne gedrückt werden sollen. Die Frist für die Jobsuche hängt am Innenressort.

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3. Wie viele Absolventen haben die Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten?

Nur jede zehnte Rot-Weiß-Rot-Karte wurde seit 2011 an Ausländer vergeben, die ein Studium an einer österreichischen Uni oder Fachhochschule absolviert haben: 11,3Prozent. In absoluten Zahlen: 646 Karten wurden seit 2011 an Hochschulabsolventen vergeben.

4. Wie viele Personen würden für das Modell infrage kommen?

Ausländische Studierende gibt es an den heimischen Hochschulen relativ viele: Ein Viertel der rund 350.000 Studenten an Unis oder FH hat keinen österreichischen Pass. Die meisten von ihnen kommen allerdings aus EU-Staaten, sind von der Rot-Weiß-Rot-Karte also ohnehin nicht betroffen. Rund 28.000 (knapp acht Prozent) stammen aus anderen Ländern. Ganz vorn: die Türkei, Bosnien, Serbien. Abgeschlossen haben ein Studium pro Jahr zuletzt insgesamt knapp 37.300 Personen – 1600 von ihnen stammen aus Drittstaaten (siehe Grafik). Sie könnten Kandidaten für die Rot-Weiß-Rot-Karte sein.

5. Wollen ausländische Absolventen überhaupt bleiben?

Tatsächlich bleibt nicht einmal jeder fünfte Absolvent aus Drittstaaten nach dem Abschluss in Österreich. International sieht das ganz anders aus: Im OECD-Schnitt bleiben 24Prozent, in Deutschland 27, in Kanada mehr als 30Prozent. Laut Studierendensozialerhebung haben aber 28Prozent der ausländischen Studenten vor, nach ihrem Studienabschluss in Österreich zu bleiben; knapp 50Prozent schließen es zumindest nicht aus.

Besonders gern bleiben möchten Studenten aus Osteuropa, insbesondere aus Ex-Jugoslawien – also aus Ländern, für die die Rot-Weiß-Rot-Karte (größtenteils) relevant ist.

6. Wann amortisieren sich eigentlich die Kosten für das Studium?

Dass viele ausländische Absolventen Österreich nach dem Studium verlassen, ist volkswirtschaftlich ineffizient. Immerhin werden sie größtenteils auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet. Die Neos haben anhand einer Studie des deutschen Prognos-Instituts berechnet, dass Nicht-EU-Studenten über ihre im Schnitt fünfjährige Studienzeit einen Verlust von 130Millionen Euro bedeuten. Bei der niedrigen Zahl an Absolventen, die im Land bleiben, dauert es 20 Jahre, bis sich das amortisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2014)

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