Verwaltungsgerichtshof: Anrechnung von Studien erleichtert

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Jus-Dissertant der Universität Wien wollte Steuerrechtskenntnisse für ein WU-Bachelorstudium anrechnen lassen. Der Senat der WU war ihm gegenüber zu streng.

Wien. Der Verwaltungsgerichtshof erleichtert die Anrechnung von Prüfungen an der Universität für andere Studien. Ein Dissertant der Jusfakultät der Uni Wien hat sich im Bestreben, Steuerrechtskenntnisse von seiner Stammfakultät auch im Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität anerkennen zu lassen, gegen den Senat der WU durchgesetzt. Laut VwGH war der Senat beim Vergleich der ECTS-Punkte (European Credit Transfer System) zu streng.

Der junge Jurist hatte am Juridicum eine Reihe von Prüfungen und Lehrveranstaltungen absolviert, die er mit dem Steuerrecht in Zusammenhang brachte: Seminar aus Finanzrecht/Steuerrecht, Finanzwissenschaften, Bilanzrecht, Betriebswirtschaftslehre, Fachprüfung Steuerrecht und Pflichtübung aus Steuerrecht. All das wollte er sich für einen Vertiefungskurs Steuerrecht im Wirtschaftsrecht-Bachelor an der WU anerkennen lassen.

Gestützt auf ein Sachverständigengutachten und mit mehr oder weniger spitzfindigen Argumenten lehnte die Rechtsmittelkommission in Studienangelegenheiten des Senates der WU ab: Zum Teil handle es sich um gar keine juristischen Fächer (z. B. BWL), zum Teil nicht um steuerrechtliche (z. B. Bilanzrecht). Das Dissertantenseminar aus Finanzrecht/Steuerrecht könne deshalb nicht angerechnet werden, weil der Vertiefungskurs im Bachelorstudium ein ganz anderes Ziel verfolge: nämlich die wissenschaftliche Berufsvorbildung, nicht die Weiterentwicklung der Befähigung zur selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit.

Abgesehen davon, dass der Student selbst die fehlende fachliche Kongruenz einiger Lehrveranstaltungen einsah, akzeptierte der VwGH auch das Argument mit den unterschiedlichen Zielsetzungen von Doktorats- und Bachelorstudien. Probleme hatte der Gerichtshof aber mit der Weigerung des Senats, die Fachprüfung und die Pflichtübung aus Steuerrecht anzuerkennen. Diese waren nämlich fachlich gleichwertig, es fehlte selbst nach den Berechnungen des Gutachters nur ein einziger von zwölf ECTS-Punkten.

20 Prozent Toleranz

So eng darf man nach Einschätzung des VwGH die Gleichwertigkeit aber nicht sehen: Die Differenz im Ausmaß von nur etwa acht Prozent stehe einer Anerkennung der absolvierten Prüfungen für die drei Lehrveranstaltungen aus Steuerrecht des laufenden Studiums nicht entgegen, so der Gerichtshof (Ro 2014/10/0020). Tatsächlich hat er schon einmal eine Unterschreitung von bis zu 20 Prozent als geringfügig angesehen (2013/10/0186). Richard Soyer, Anwalt des Doppelstudenten und Professor für Strafrecht an der Uni Linz, begrüßt die Entscheidung des Höchstgerichts: Sie sei ein klares Signal, dass die Prüfung der Anerkennung mit Maß und Ziel erfolgen soll, dass nicht alles, was von woanders komme, nur zweiter Klasse sei.

Für den Doppelstudenten kommt die Entscheidung zu spät: Er wollte nicht eineinviertel Jahre darauf warten, hat die Steuerprüfung noch einmal gemacht hat und ist mittlerweile Doppelabsolvent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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