Müller: „Med-Uni macht keinen homogenen Eindruck“

INTERVIEW REKTOR MED UNI WIEN: MARKUS M�LLER
INTERVIEW REKTOR MED UNI WIEN: MARKUS M�LLER(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Der designierte Rektor ortet einen relativen Ärztemangel und Kommunikationsprobleme an seiner Uni. Er brauchte 200 Millionen Euro Zusatzbudget. Bei der turbulenten Rektorswahl war er sein eigenes Experiment.

Die Presse: Sie haben selbst in Wien Medizin studiert und Ihre Ausbildung gemacht. Wären Sie als Student mit den heutigen Studienbedingungen glücklich?

Markus Müller: Klar. Jede Generation hat ihre eigenen Herausforderungen. Zu meiner Zeit war es die Ärzteschwemme. Uns haben alle gesagt, wir würden als Taxifahrer enden. Und viele mussten tatsächlich lang auf eine Ausbildung und eine Stelle warten.

Dafür werden heute viele, die Medizin studieren wollen, gleich gar nicht zum Studium zugelassen.

Das stimmt. Das tut mir für jene, die es nicht schaffen, auch leid. Wer allerdings Mediziner wird, auf den wartet momentan eine großartige Zeit. Es ist wahnsinnig spannend, was sich in dem Bereich tut. Und unsere Mediziner haben eine fast 100-prozentige Jobgarantie.

Sind die Studierenden, die man sich da aussucht, die richtigen?

Unser Test ist gut und wird immer besser, auch wenn er immer noch ziemlich grobkörnig ist. Aber bei 7000 Bewerbern ist ein ausgefeilteres Verfahren nicht machbar.

Viele warnen vor dem Ärztemangel. Sind wir da gesundheitspolitisch auf dem richtigen Weg?

Sicher nicht. Wir haben ein viel zu krankenhauslastiges System. Und obwohl wir objektiv gesehen sicher keinen Ärztemangel haben, könnte uns daher ein relativer Ärztemangel drohen. Die vielen Krankenhäuser müssen ja mit Ärzten gefüllt werden. Und das könnte sich irgendwann nicht mehr ausgehen.

Also ein Plädoyer für einen Fokus auf niedergelassene Ärzte.

Wir sehen das bei uns im Haus. Jeder, der nach 22 Uhr ein medizinisches Problem hat, fährt ins AKH. Das wäre in anderen Ländern undenkbar. Da wäre zuerst ein niedergelassener Arzt zuständig. Dabei ist die Betreuung im Spital die teuerste Variante. Ich unterstelle, dass dieses Strukturproblem mit der angesprochenen Ärzteschwemme zu tun hat. Die einzige Ressource, die im Gesundheitsbereich lang billig zu haben war, war ärztliches Personal. Daher konnte man sich die hohe Bettendichte leisten und war nie gezwungen, eine ordentliche Abstimmung des niedergelassenen und des stationären Bereichs vorzunehmen. Heute rächt sich das – und hat sich nicht zuletzt in der Debatte über zu niedrige Medizinergehälter entladen.

Ist es an der Zeit, über Spitalsschließungen nachzudenken?

Da will ich mich nicht zu weit hinauslehnen. Das Problem ist, dass sich niemand tatsächlich verantwortlich fühlt. Man ist dem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt, das ist Förderalismus pur. Man braucht eine Form der Gesamtsteuerung, die ich nur in Ansätzen sehe.

Sie haben die Ärztegehälter angesprochen. Sind die zu niedrig?

Wir hatten eine Art Kellnermentalität: Die Grundgehälter waren sehr niedrig, in der Annahme dass es ein Trinkgeld gibt, Nebenbeschäftigungen und vor allem Nachtdienste. Dieses System ist jetzt kollabiert. Dass sich die Ärzte Gehaltskürzungen, die mit einer Reduktion der Dienstzeit einhergehen, nicht gefallen lassen, ist klar. Aber wir haben jetzt ja lang an Lösungen gefeilt und sie auch gefunden.

Ist es damit erledigt?

Das ist meine Hoffnung. Das Problem ist, dass wir die Gehaltsfrage geklärt haben, aber nicht das Kapazitätsproblem. Sie müssen die Leistung von bisher 60 Stunden jetzt in 48 bringen. Das geht nur über eine Verdichtung der Arbeitszeit.

Demnächst wird mit dem Ministerium über die Uni-Budgets verhandelt. Was muss für die Med-Uni zusätzlich drin sein?

Damit wir halbwegs komfortabel arbeiten und unsere Visionen umsetzen können, hätten wir einen zusätzlichen Bedarf von 200 Millionen Euro.

Bleiben von den 615 zusätzlichen Millionen noch 415 für die anderen 20 Universitäten.

Das ist uns bewusst, wobei Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gesagt hat, dass die Ärztegehälter separat remuneriert werden. Die sind für uns die wichtigste Fragen.

Sie meinten, Sie hätten gern weniger Skandale und mehr Spitzenleistungen. Worunter hat der Ruf der Uni besonders gelitten?

Sagen wir so: Es ist kein Geheimnis, dass hier viele Leute mit großem Anspruch arbeiten, und dann gibt es oft Kämpfe. Nach außen macht die Med-Uni keinen homogenen Eindruck. In der Kommunikation haben wir also Nachholbedarf.

Wie werden Sie das angehen?

Es gibt das berühmte Zitat von John F. Kennedy: „Don't ask what your country can do for you, ask what you can do for your country.“ Ein Ärztekammerfunktionär hat das im Arbeitskampf umgedreht: „Frag nicht, was du für dein Spital tun kannst, frag, was dein Spital für dich tun kann“ – eine Perversion des Zitats. Das halte ich für ein Riesenproblem. Das Gemeinwohl muss vor dem Eigennutz stehen.

Hat Rektor Wolfgang Schütz das nicht ausreichend getan oder vorgelebt?

Ich halte ihn für einen höchst professionellen und anständigen Universitätsprofessor und Rektor. Er hat sich sicher redlich bemüht. In Spitälern sind die Hierarchien so stark wie in kaum einem anderen Bereich. Eine etwas flachere Hierarchie täte uns besser.

Und das können Sie ändern?

Das ist auch eine Generationenfrage: Früher galt in der Forschung die Einzelleistung viel. Aber ich sehe eine Universität eher als einen Verein wie FC Barcelona als einen Tennisklub voller Boris Beckers.

Wie soll die Med-Uni am Ende Ihrer ersten Amtszeit aussehen?

Wir haben ein echtes Infrastrukturproblem. Im AKH gibt es massiven Reinvestitionsbedarf, unsere Institute in einer alten Patronenfabrik aus der k. u. k. Zeit sind nicht mehr sanierbar. Insofern wünschen wir uns eine Baustelle in der Mariannengasse – auch, um Institutionen näher ans AKH zu bringen. Ob wir mit den Life-Science-Institutionen im dritten Bezirk kooperieren oder mit Cambridge, macht räumlich schon fast keinen Unterschied.

Es fällt auf, dass Sie uns in Weiß gegenübersitzen. Wird das in Zukunft noch der Fall sein?

Ich bin mit Leib und Seele Arzt. Meine Entscheidung für das Amt hat mit mehreren Dingen zu tun: Ich habe Gestaltungswillen. In Österreich laufen viele Dinge nicht so perfekt – und unsere Generation muss hier die Zügel in die Hand nehmen. Und ich glaube, dass die Med-Uni eine tolle Universität ist.

Vor der Rektorswahl gab es viel Wirbel, Klagen über Interventionen. Wie wird man da Rektor?

Ich bin vom Wesen Sportler. Und was ich nicht mag, ist Doping. Kontakte, Verbindungen, Interessengruppen, die versuchen, Leute zu positionieren. Manche sagen, das ist nicht glaubwürdig. Aber ich war sozusagen mein eigenes Experiment. Ich wollte schauen, ob man es auch so in diese Position schafft.

Für Sie hat keiner bei Uni-Rats-Chef Erhard Busek angerufen?

Ich nehme schon an, dass ihn Leute angerufen haben. Aber ich habe niemanden darum ersucht.

ZUR PERSON

Markus Müller (47) übernimmt mit Oktober die Führung der Med-Uni Wien von Langzeitrektor Wolfgang Schütz. Er hat an der damaligen Medizinfakultät in Wien Medizin studiert. Seit 2004 leitet der Facharzt für Innere Medizin das Institut für Klinische Pharmakologie am AKH. Seit 2011 ist der gebürtige Kärntner Vizerektor für Forschung. Ende Mai hat ihn der Uni-Rat zum Rektor gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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