ÖH-Chef: „Das Image der ÖH ist viel zu schlecht“

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Er habe bei der Koalitionsfindung niemanden erpresst, sagt Philipp Flacke. Warum es auch mit ihm Demos gegen rechts geben wird, was die ÖH falsch gemacht hat, und warum er einen Platz im Wissenschaftsausschuss fordert.

Die Presse: Um als Vertreter der viertstärksten Fraktion – und der drittstärksten innerhalb der Koalition – neuer ÖH-Chef zu werden, braucht es einiges an Geschick, Glück oder Berechnung. Was war es?

Philipp Flacke: Eine gute Position. Wir waren die einzige Konstante in allen möglichen Koalitionsformationen. Wir hatten unsere zentralen Forderungen. Und da war unter anderem der Vorsitz dabei.

Es heißt, dass es einen fertig ausverhandelten Vertrag mit der Aktionsgemeinschaft gab. Haben Sie die Gras damit erpresst?

Erpresst haben wir niemanden. Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt und gesagt, dass es keine Exklusivverhandlungen geben wird, sondern dass wir mit allen Partnern reden werden. Als FLÖ ist das ganz angenehm: Wir könnten mit beiden Lagern, wenn man unsere Kernthemen erfüllt. Und wenn nicht, wäre auch die Opposition eine Möglichkeit gewesen.

Die Gras hat große Zugeständnisse gemacht. Wird da eine gute Zusammenarbeit möglich sein?

Im Vorsitzteam ist das Klima sehr gut. Und ich glaube insgesamt, dass sie keinen schlechten Deal gemacht haben. Natürlich ist der Vorsitz für sie ein Verlust, aber es ist nicht so, dass es keine Gegenleistungen gegeben hätte. Sie konnte viele ihrer Forderungen durchsetzen.

Am Wahlabend waren Sie eher ruhig. Wird Ihr Vorsitz ein zurückhaltender – oder hauen Sie auch einmal auf den Tisch?

Ich weiß nicht, ob ich auf den Tisch hauen werde. Ich bin ein Mensch, der argumentativ angelegt ist. Es war immer schon ein Markenzeichen der FLÖ, dass wir konstruktiv an einer Lösung arbeiten statt laut schreiend durch die Gegend zu laufen und damit nichts zu erreichen.

Das kann auch bedeuten, dass man nicht beachtet wird.

Ich traue mir schon zu, dass man mich auch wahrnimmt.

Was waren zentrale inhaltliche Bedingungen für eine Koalition?

Wir hätten keinen Zugangsbeschränkungen zugestimmt. Zentral waren auch einige Projekte, die Durchlässigkeitsplattform zum Beispiel: Da geht es darum, dass Studierende besser darüber Bescheid wissen, wie sie von Bachelor zum Master zwischen zwei Unis wechseln können. Auch die Vernetzung der Hochschulvertretungen ist zentral. Und Gesellschaftspolitik muss so weit drin sein, wie Studierende betroffen sind. Wenn die Studierenden sich die Miete nicht leisten können, muss man etwas tun.

Wird es mit Ihnen als Vorsitzendem auch Demonstrationen gegen rechts geben?

So etwas wie „Jetzt Zeichen setzen“ – das ist ja ein breit akzeptiertes Bündnis gegen den Akademikerball – wird es auch mit mir geben.

Die Konstellation an der ÖH-Spitze ist von den Fraktionen her die alte: Was muss trotzdem anders werden als in den vergangenen zwei Jahren?

Was auf jeden Fall anders werden muss, ist das Image der ÖH. Das ist momentan einfach viel zu schlecht. Meiner Meinung nach ungerechtfertigt, weil viel durcheinandergeschmissen wird. Zum Beispiel das Café Rosa, das viele nicht der ÖH der Uni Wien, sondern der ÖH insgesamt zuschreiben. Das schafft ein Image, das einfach nicht passt. Es passt auch zur ÖH der Uni Wien nicht mehr.

Wessen Fehler ist es, dass es nicht gelingt, ein anderes Bild zu erzeugen?

Die Frage ist, was man positiv verkaufen kann. Das ist halt kein Event, keine große Party. Sondern das sind inhaltliche Dinge. Und die sind oft extrem unsexy. Die ÖH-Wahlreform zum Beispiel, die hat sehr gut funktioniert – das ist aber sehr schwer zu verkaufen.

Liegt es nicht auch daran, dass die ÖH eine relativ machtlose Institution ist?

Gerade auf Hochschulebene ist die Macht ziemlich groß, manchen ist der Einfluss sogar zu groß. Traurig ist, dass eine Interessenvertretung wie die ÖH nicht im Wissenschaftsausschuss sitzt. Das zu ändern ist eine unserer Forderungen an den Wissenschaftsminister.

Was muss man denn anders machen, um als Studentenvertreter ernst genommen zu werden?

Man muss eine gewisse Kompetenz ausstrahlen und sich auf einige Themen konzentrieren, die man auch medial bespielt. In den vergangenen zwei Jahren war das etwas unfokussiert.

Demnächst wird Minister Reinhold Mitterlehner über neue Beschränkungen verhandeln. Wie wird der Widerstand aussehen?

Wir werden sicher Protesttage machen, öffentlichen Druck aufbauen. Was mich wirklich ärgert, ist die Chemie, für die der Minister jetzt neue Beschränkungen in den Raum gestellt hat. Man kann doch nicht hunderttausende Euro in eine MINT-Fächer-Kampagne stecken und dann Chemie beschränken. Das Einzige, was passiert, ist eine Verdrängung in ein anderes Fach – und das ist dann als Nächstes dran.

Müssen bestehende Beschränkungen aufgehoben werden?

Ja. Natürlich haben wir auch als FLÖ Uni-Gruppen, die mit Zugangsbeschränkungen leben, in der Medizin etwa. Wenn die Med-Uni jetzt die Schranken abschafft, wird sie komplett überflutet. Das geht nur, indem man vor der Wahl des Studiums aufklärt. Und die Med-Uni stärker ausfinanziert.

Was halten Sie von der Medizinerquote?

Man muss sich die Frage stellen, ob sie nötig ist. Und wenn ein attraktives Arbeitsumfeld geboten würde, würden sicher viele bleiben.

Sie kommen aus Niedersachsen und studieren hier Psychologie. Haben Sie vor, zu bleiben?

Ich bin da völlig offen. Nur die Psychotherapeuten-Ausbildung ist abschreckend. In Deutschland geht das deutlich schneller.

AUF EINEN BLICK

Philipp Flacke (35) tritt mit heutigem Tag seinen Job als ÖH-Chef an. Der gebürtige Niedersachse ist Mandatar der unabhängigen Fachschaftslisten (FLÖ) und studiert – nach mehrjähriger Berufstätigkeit im Softwarebereich – Psychologie an der Uni Klagenfurt.

Die ÖH-Exekutive stellt wie bisher eine linke Viererkoalition aus FLÖ, der grün-alternativen Gras, dem roten VSStÖ und der ursprünglichen FH-Fraktion Fest. Ein Jahr lang stellt Flacke den Vorsitz, dann tauscht er mit Lucia Grabetz (VSStÖ). Die Koalition hat 29 der 55 Mandate im Studierendenparlament.

Dass die Gras – eigentlich stärkster der vier Koalitionspartner – um den Vorsitz umfällt, sorgte für Verwunderung. Die grün-alternativen Studenten hatten aber eine schlechte Verhandlungsposition. Sie legten sich auf eine linke Exekutive fest.

Die Aktionsgemeinschaft (AG) war bei der Wahl im Mai insgesamt zwar stärkste Kraft geworden – sie hält 16 der 55 Mandate. Sie geht aber wieder einmal leer aus, was die ÖH-Spitze angeht. Und das, obwohl sie diesmal sogar kräftig mitverhandelte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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