Studienplätze: Zugangsbeschränkungen sind "Fleckerlteppich"

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Österreichs Unis wurden vor zehn Jahren quasi dazu gezwungen, alle ausländischen Studieninteressenten aufzunehmen. Die Zahl der Deutschen vervierfachte sich seither. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht.

Wien. Das Gedränge wird am Freitag nicht nur in der Messe Wien, sondern auch in der Grazer Stadthalle, am Messegelände in Innsbruck und an der Universität Linz groß sein. An all diesen Orten findet nämlich der Aufnahmetest für das Medizinstudium statt. Mehr als 14.000 Personen kämpfen dort um die 1560 Studienplätze. Es gibt also neun Bewerber pro Platz – darunter auch viele aus dem Ausland.

Die österreichischen Bewerber haben dabei (derzeit noch) einen Vorteil. Denn durch die sogenannte Quotenregelung sind 75Prozent der Plätze für Inhaber österreichischer Maturazeugnisse reserviert, 20Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger. Doch die Regelung hat ein Ablaufdatum. Bis Ende 2016 hat Österreich Zeit nachzuweisen, dass es die Quote braucht, um die Gesundheitsversorgung des Landes zu sichern.

Schon einmal blieb Österreich den Nachweis, dass die 2006 eingeführte Quotenregelung unumgänglich sei, schuldig. Die EU-Kommission war damals nachsichtig und verlängerte das ursprünglich für fünf Jahre geltende Moratorium bis 2016. Die Uhr tickt also erneut. Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es dazu: „Wir stehen im ständigen und konstruktiven Austausch mit den Vertretern der EU. Das Ministerium übermittelt jedes Jahr einen Bericht mit aktuellen Zahlen und Maßnahmen, so auch 2015.“

EuGH-Urteil veränderte alles

Die Regelung des Uni-Zugangs ist nicht nur in der Medizin problematisch. Begonnen haben Österreichs Probleme vor zehn Jahren. Denn exakt am 7.Juli 2005 hob der Europäische Gerichtshof (EuGH) die damalige Regelung des Universitätszugangs in Österreich auf. Bis zum EuGH-Urteil berechtigte in Österreich nur ein heimisches Maturazeugnis automatisch zu einem Studium. Schulabgänger aus anderen EU-Staaten mussten zusätzlich eine Zugangsberechtigung zur gewünschten Studienrichtung in ihrer Heimat vorweisen. Es mussten also nur jene deutschen Bewerber aufgenommen werden, die auch in Deutschland selbst zum Studium zugelassen werden und den dort geltenden Numerus clausus (NC) erfüllten. Der EuGH hielt das für diskriminierend: Alle Studienwerber müssten gleich behandelt werden – also entweder Zugangsbeschränkungen für alle Studienwerber oder für niemanden.

Die österreichische Politik reagierte schnell: Einen Tag später, am 8. Juli 2005, erlaubte der Nationalrat mit Blick auf einen möglichen Ansturm deutscher Studenten die Einführung von Zugangsbeschränkungen in Human-, Zahn- und Veterinärmedizin, Biologie, Psychologie, Pharmazie, BWL und Publizistik. Seither gibt es ein politisches Tauziehen. 2007 wurden die Beschränkungen für Biologie und Pharmazie ausgesetzt, im Jahr darauf die Hürden für Publizistik und Betriebswirtschaft abgeschafft. Mittels eines „Notfall-Paragrafen“ wurde 2010 der Zugang in der Publizistik wieder beschränkt, seit 2013 dürfen die Unis Informatik, Biologie, Architektur, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften beschränken.

Unbegründet war die damalige Sorge vor einem Ansturm deutscher Studenten nicht: Trotz Beschränkungen vervierfachte sich deren Zahl von 2004 bis 2014 von 7700 auf 29.500. Der starke Anstieg der Studentenzahlen geht aber nicht hauptsächlich auf das Konto der Deutschen: Die Zahl der inländischen Studenten wuchs nämlich von 171.000 auf 221.000.

Die Rektoren kritisieren angesichts der Entwicklungen, dass der Uni-Zugang noch immer einem „Fleckerlteppich“ gleicht. Die Hoffnungen auf dauerhafte Steuerungsinstrumente hätten sich leider als Chimäre entpuppt. (j.n./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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Vor zehn Jahren hob der Europäische Gerichtshof die damalige Zugangsregelung auf. Seither hat sich die Zahl der Deutschen vervierfacht.

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