Mittelstraß: Gratis-Uni „halten wir nicht durch“

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Der scheidende Wissenschaftsratschef Jürgen Mittelstraß über Studiengebühren, notwendige Zugangsregeln, und warum es an den Hochschulen mehr "Spielgeld" braucht.

Die Presse: Rektorenchef Heinrich Schmidinger ist ziemlich frustriert: Die Unis würden für die Politik nur eine Nebenrolle spielen, immer sei anderes wichtiger. Sind die Unis der Politik egal?

Jürgen Mittelstraß: So dramatisch sehe ich das nicht. Natürlich ist die gegenwärtige Situation nicht optimal, aber ich halte sie eher für normal. Dass die Hochschulen aus dem eigentlichen politischen Fokus geraten sind, ist auch den Umständen geschuldet. Ich sage nur: Griechenland. Aber Wissenschaftspolitik ist ein Dauerbrenner – und wird auch immer einer sein.

Ein Streitthema bei den Unis ist der Zugang: Jetzt werden die bestehenden Beschränkungen verlängert, neue kommen aber nicht. Wären die notwendig gewesen?

Sicher. Zugangsregelungen müssen aber nicht automatisch Beschränkungen sein. Regelung bedeutet zunächst, dass man sich bemüht, den Zugang optimal zu gestalten. Wünschenswert wäre, das mit intensiver Beratung zu verbinden. Es ist viel Zufall im Spiel, wenn Fächer überlaufen sind, wie es bei Jus der Fall ist. Vieles normalisiert sich schnell, wenn Studienanfänger bemerken, dass sie im falschen Fach stehen.

Wäre das nicht mit der Studieneingangsphase getan, die ja jetzt auf alle Fächer ausgeweitet wird?

Da ist es eigentlich schon zu spät. Eine derartige Orientierungsphase müsste früher stattfinden.

So hat jeder die Chance, das Studium zumindest anzufangen – und man verringert die Gefahr, die Falschen auszuschließen.

Ums Ausschließen sollte es ja nicht gehen. Ich denke, dass das österreichische Uni-System stark genug ist, um alle Studierwilligen aufzunehmen. Aber man muss Vorkehrungen treffen, dass sie gleich an den richtigen Platz kommen.

Und was die Beschränkungen im engeren Sinn angeht?

Weltklasseuniversität ist ein Wort, das man in Österreich gerne in den Mund nimmt. Dann muss man aber auch die Bedingungen schaffen, unter denen sie möglich ist. Und dazu gehören vor allem vernünftige Betreuungsverhältnisse.

Die Bedingungen für gute Universitäten sind ja auch finanzielle. Aber die 615 Millionen Euro, die die Unis bis 2018 zusätzlich erhalten, decken nicht einmal die Kostensteigerungen ab.

Man darf feststellen: Es gibt zusätzliche Mittel – auch wenn sie nicht ausreichen, um Qualitätssprünge zu ermöglichen. Man könnte sicher mehr tun, als man derzeit tut.

Wenn es knapp aussieht, drohen Rektoren immer wieder damit, Fächer zu streichen. Ist das ein Akt der Verzweiflung?

Daraus spricht häufig der Wunsch, dass alles bleibt, wie es ist. Wir ermuntern die Universitäten ständig, sich über einen Disziplinenabgleich untereinander mehr Luft zu verschaffen. Der Ball liegt nicht nur bei der Politik.

Das Streichen einzelner Disziplinen wäre gar nicht so schlimm?

Streichen klingt ja wieder furchtbar. Wir sprechen alle von Profilbildung. Und genau das tut man, indem man bestimmte Disziplinen ausbaut und andere zurückbaut. Es liegt auch an den Unis, sich etwas einfallen zu lassen, damit sie beweglicher werden.

Klammert sich jede Uni zu sehr an ihren Schrebergarten?

Ja, aber das ist nicht neu. Und es ist eine Politik, die man durchhalten kann, solange man wächst. Aber das Uni-System wächst eben nicht mehr – zumindest nicht finanziell.

Was muss die Politik tun?

Wir brauchen mehr Spielgeld im System. Die Hochschulen brauchen eine solide Grundausstattung und außerdem Mittel, die dazu genutzt werden können, Schwerpunkte zu bilden. Das könnten beispielsweise Drittmittel aus dem Wissenschaftsfonds FWF sein. Dazu müsste der FWF als wichtigster Drittmittelgeber über mehr Geld verfügen.

Was geben Sie denn dem Wissenschaftsminister für die kommenden Jahre mit?

Dass er Glück hat mit den Reformen, die er selbst will. Studienplatzbewirtschaftung, Zugangsregeln: Das sind alles Dinge, bei denen wir uns einig sind. Unter Umständen wird auch die Frage nach Studiengebühren wieder auf den Tisch kommen müssen.

Warum werden Gebühren wieder Thema werden müssen?

Die österreichischen Unis werden nie die Mittel haben, um wirklich zu den führenden Hochschulen dieser Welt aufzuschließen. Ein Beitrag der Studierenden – dieser muss ja nicht in astronomischer Höhe sein – wäre daher hilfreich. Er müsste ihnen unmittelbar zugute kommen, also in die Optimierung der Lehre fließen. Vergessen wir nicht, dass sich eine akademische Ausbildung für den Einzelnen rentiert. Dass das umsonst ist, werden wir nicht durchhalten können.

ZUR PERSON

Jürgen Mittelstraß (78) ist ein deutscher Philosoph. Seit 2005 ist er Vorsitzender des österreichischen Wissenschaftsrats, eines Gremiums, das Minister, Politik und Universitäten berät. Wie jüngst bekannt wurde, scheidet er, wie seine beiden Stellvertreter, Walter Berka und Herbert Mang, mit Jänner aus dem Rat aus. Der Wissenschaftsrat bekommt dann fünf neue Mitglieder, darunter Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Senatschefin der Uni Wien, und Antonio Loprieno, Rektor der Uni Basel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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