Med-Uni-Rektor: „Die besten Ärzte gehen ins Ausland“

Wolfgang Schütz
Wolfgang Schütz(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der scheidende Rektor, Wolfgang Schütz, über finanzielle „Knalleffekte“, Verschlechterungen bei der Allgemeinmedizin und darüber, warum er sein Gehalt nicht offenlegt.

Die Presse: Gerade jetzt kämpft die Med-Uni Wien gleich an mehreren Fronten um Geld. Ist das nicht ein ungünstiger Zeitpunkt, das Schiff zu verlassen?

Wolfgang Schütz: Wenn ich an die vergangenen elf Jahre denke, wäre eigentlich jeder Zeitpunkt günstig oder ungünstig gewesen.

Aber man hat das Gefühl, dass die Med-Uni in einem Moment großer Unsicherheit ist.

Das macht mir Sorgen, das ist richtig. Aber ich wollte eigentlich schon nach zwei Perioden als Rektor gehen und habe dann noch eine angehängt. Drei sind das absolute Maximum. Zudem übernimmt mit Virzerektor Markus Müller jemand das Ruder, der gut eingearbeitet ist.

Was das Geld angeht, war die Reaktion des Ministeriums nicht ermutigend. Warum soll ausgerechnet Ihre Uni von 615 Millionen Euro Extrageld 200 bekommen?

Die Medizin ist ein Sonderpflaster, sie benötigt leider sehr viel Geld. Die Republik muss sich entscheiden, ob sie den klinischen Mehraufwand (Geld, das die Stadt Wien bekommt, weil an Uni-Kliniken gelehrt und geforscht wird, Anm.) nicht aus dem Uni-Budget finanziert, sondern anderweitig.

Woher soll das Geld kommen?

Das ist eine Frage der Prioritäten, die die Regierung setzen muss. Die Unis sind in den vergangenen Jahren unterfinanziert worden. Und in der Medizin haben wir jetzt eine Art Knalleffekt. Das AKH war zehn Jahre lang unterfinanziert. Wenn wir da nicht einschreiten, muss es ein Schwerpunktkrankenhaus werden – oder es verfällt. Und wir sind sehr personalintensiv – das wächst uns jetzt mit den hohen Ärztegehältern über den Kopf. Nur: Diese waren nicht meine Erfindung.

Was hätten Sie gemacht?

Ich hätte das stärker zeitlich gestaffelt. Die tatsächliche Zäsur bei den Einkommen kommt (durch die neuen Arbeitszeiten der Spitalsärzte, Anm.) erst 2021, wenn es keine Opt-out-Möglichkeit mehr gibt. Aber der politische Wille hat gelautet: Es muss sofort eine Befriedung her. Und es ist interessant: Ab dem 26. Mai – an dem wir uns mit dem Betriebsrat geeinigt haben – hat es keine Horrormeldungen mehr über das AKH gegeben. Davor gab es eine nach der anderen. Dabei hatte sich nichts geändert.

Werfen Sie Ihren eigenen Ärzten Stimmungsmache vor?

Ja, freilich. Das ist kein Geheimnis.

Die Med-Uni hat nicht den besten Ruf, was den Zusammenhalt angeht. Was läuft falsch?

Wir sind keine Schraubenfabrik, wo nur der Vorstand nach außen spricht, unsere Wissenschaftler haben große Freiräume, sie wollen sich in ihrem Bereich profiliert sehen. Sie zusammenzuhalten gelingt an einer normalen Uni nur mit großem Kampf. Im klinischen Bereich mit mehr Personal und anderen Hierarchien ist das noch schwieriger. Seit 2004 ist es besser geworden. Aber ich streite nicht ab, dass es noch nicht ideal ist.

Was würden Sie retrospektiv gesehen anders machen?

Das ist wohl auch etwas, das von der Persönlichkeit abhängt. Ich bin keiner, der sich wie ein Volkstribun vor die Leute hinstellt und Parolen schwingt – auch, wenn das vielen gefallen könnte. Das ist nicht mein Naturell. Vielleicht macht Markus Müller das künftig anders.

Zuletzt wurde über die Rektorengehälter diskutiert. Ihre Antwort auf eine parlamentarische Anfrage kam ohne Zahlen aus. Es wird gemunkelt, dass Sie zu den Bestverdienern zählen.

Ich bin ein freier Bürger und solange man mir nicht vorschreibt, dass ich mein Einkommen offenlegen muss, lege ich es nicht offen.

Es handelt sich immerhin um Steuergeld. Was haben Sie gegen eine transparente Diskussion?

Wir haben auf die Summe verwiesen, die für das Rektorat aufgewendet wird, diese ist öffentlich. Mein Gehalt ist im Bereich derer, die es offengelegt haben. (Die Rektoren von Uni Wien und WU verdienen mit Prämien 257.000 bzw. 270.000 Euro brutto pro Jahr, Anm.) Und wir haben 80 Millionen Euro Drittmittel pro Jahr, wir arbeiten nicht nur mit Steuergeld.

Sind Sie gegen eine Deckelung?

Das hat seine Berechtigung. Aber der Vergleich mit einem Minister ist nicht zutreffend. Die Deckelung müsste darüber liegen. Die Haftung eines Ministers ist fast null. Die eines Rektors entspricht der eines Vorstands in der Wirtschaft.

Sie haben zuletzt gesagt, dass ein Drittel der Absolventen weggeht.

Das Problem ist nicht nur, dass so viele Ärzte ins Ausland gehen – sondern es gehen die besten. Von den 50 Besten, die bei uns studiert haben, verlassen 40 Österreich.

Jetzt gibt es höhere Gehälter und eine reformierte Ausbildung. Ist das noch nicht attraktiv genug?

Der Vorteil ist, dass die Facharztausbildung startet, ohne dass man den Turnus machen muss. Vorher haben alle Spitäler auf den Turnus bestanden, weil man Turnusärzte als Billigärzte verstanden hat. Die neue Ausbildung wird aber vor allem für die Allgemeinmedizin negative Effekte haben. Die Allgemeinmediziner machen ihre Ausbildung in einem Umfeld, in dem sie später nie arbeiten: im Spital.

Wo sind Sie selbstkritisch, was Ihre Jahre an der Spitze angeht?

Ein Punkt wird immer bekrittelt, egal wie man es macht: die Kommunikation, vor allem nach innen.

Was ist am besten gelungen?

Das neue Studium und die Forschungsprofile. Wir haben 2002 mit dem Fächerkanon gebrochen. Viele Anwärter aus Deutschland kommen genau deshalb und nicht wegen des Numerus clausus. In den Bereichen Immunologie, Allergologie, Hirnforschung, Krebsforschung haben wir uns profiliert.

ZUR PERSON

Wolfgang Schütz (67) tritt morgen nach elf Jahren als Rektor der Med-Uni Wien ab. Vor der Ausgliederung der Uni war der Pharmakologe seit 1996 Dekan der Med- Fakultät. Zuletzt forderte er mehr Geld: 200 Mio. Euro extra an Grundbudget, 250 Mio. für ein neues Campusgebäude, rund zwei Milliarden Euro für das AKH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2015)

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