„Viele haben sich eingebildet, mit Mitterlehner zu kuscheln hilft“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Grüne Sigrid Maurer über die nicht existente Uni-Politik des Wissenschaftsministers und die fehlende Schlagkraft der Studenten.

Die Presse: Sie kassierten im Parlament einen Ordnungsruf, weil Sie sagten, Minister Reinhold Mitterlehner (ÖVP, Anm.) wäre die Wissenschaft scheißegal. Das klang nach Provokation.

Sigrid Maurer: Ich bin nicht stolz auf die Wortwahl, das kann man auch eleganter ausdrücken. Aber inhaltlich sehe ich es so. Mitterlehner ist seit zwei Jahren Minister – und er hat kein einziges Mal öffentlich gesagt, wo er eigentlich mit dem Hochschulsystem hin will.

Die Uni-Rektoren sehen das nicht ganz so. Sie kritisieren zwar die Situation – betonen aber gleichzeitig immer wieder, dass sich der Minister eh sehr engagiert habe.

Mit dem Budget sind die Rektoren extrem unzufrieden. Aber viele haben sich sehr lang eingebildet, es hilft, wenn sie sich mit dem Minister gut stellen und kuscheln. Aber das hilft nur einigen wenigen – zum Beispiel, wenn man Josef Penninger heißt. Das war der einzige Fall, in dem Mitterlehner akut reagiert hat. Aber einem einzelnen Forscher ohne Auflagen viel Geld zu versprechen, weil er droht, nach Berlin zu gehen, ist eine schlechte Symbolik.

Man hatte ein bisschen den Eindruck: Je leiser die Uni-Rektoren sind, desto lauter sind Sie.

Diese Parallelentwicklung hätte ich jetzt nicht so wahrgenommen. Aber Rektorenchef Heinrich Schmidinger hat selbst eingestanden, dass er nicht erfolgreich war und vielleicht doch lautere Töne hätte anschlagen müssen. Das sagt ja schon einiges.

War es falsch, dass die Rektoren die die Leistungsvereinbarungen mit dem Uni-Ministerium unterschrieben haben?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber Mitterlehner hat definitiv zu wenig herausgeholt. Er hat ja ursprünglich selbst 1,6 Milliarden Euro angepeilt, und es sind 615 Millionen herausgekommen. Mit diesem Geld müssen die Unis eine ganze Reihe zusätzlicher Dingen finanzieren.

Woher soll denn Ihrer Meinung nach Geld für die Unis kommen?

Es gibt Möglichkeiten, die wir auch in einem Steuerreformkonzept vorgelegt haben: vermögensbezogene Steuern zum Beispiel. Und es gibt auch viele andere Bereiche, in denen Geld versickert: durch Steuerbetrug zum Beispiel. Da gehen Milliarden verloren. Die Frage ist, was uns in diesem Staat wie viel wert ist. Aber das Budget ist nur ein Teil von Mitterlehners nicht existenter Wissenschaftspolitik.

Was fehlt Ihnen denn noch?

Es ist höchste Zeit, sich eine Vision für das ganze System zu überlegen. Es gibt eine ganze Reihe wissenschaftspolitischer Fragen, die man klären muss. Wie geht man mit dem wissenschaftlichen Prekariat um, das etwa an der Uni Wien ein Drittel aller Lehrveranstaltungen hält? Was passiert mit der Grundlagenforschung, die im internationalen Vergleich total unterfinanziert ist? Wir haben eine ganze Generation von jungen Forscherinnen und Forschern, die irgendwann den Hut draufhauen. Da entsteht eine große Lücke. Mitterlehner müsste sich endlich ein paar Diskussionen stellen und sich dazu äußern, welche Perspektiven er für die Unis sieht. Aber ich spüre in erster Linie Unwillen, sich überhaupt mit der Situation zu beschäftigen.

Sehnen Sie sich da manchmal zurück nach Ex-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP, Anm.)?

Er hat zumindest Interesse an dem Feld gezeigt. Auch, wenn ich mit ihm in vielen Punkten nicht einer Meinung war, hat er sich doch für die Unis und Fachhochschulen engagiert. Er hat mehr Geld herausgeholt. Und auch die Diskussion ist auf einem ganz anderen Niveau gelaufen. Bei Mitterlehner ist vielfach einfach kein Verständnis dafür da, wie Universitäten funktionieren.

Was ist eigentlich mit der ÖH los? Die finanziellen Nöte der Unis betreffen ja auch die Studierenden – von ihnen hört man kaum etwas.

Es ist schwierig, wenn sich ein Minister permanent der Diskussion verweigert. Aber es ist auch für die ÖH-Spitze schwierig, in ihrer derzeitigen Konstellation mit vier Fraktionen schlagkräftig zu sein. Und die ÖH meldet sich ja schon zu Wort, nur leider zu leise.

Beim Budget müssten Studenten vor dem Parlament stehen – statt Aussendungen zu schicken.

Bei Studierendenprotesten, wie es sie 2009 gegeben hat, muss es halt ein Zusammenspiel zwischen den Studierenden und der ÖH geben. Und das sehe ich derzeit nicht so. Unibrennt ist halt auch nicht jedes Jahr. Auch, weil politisches Engagement für die Studierenden zunehmend schwieriger ist.

ZUR PERSON

Sigrid Maurer (30) ist seit 2013 Wissenschaftssprecherin der Grünen im Nationalrat. Bekanntheit hat die gebürtige Tirolerin als Chefin der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) erlangt. Ihr Vorsitz (2009–2011) fiel in die Zeit der Audimaxproteste, als die Uni-Diskussion in Österreich ein Hoch erlebte. [ Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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