Komplexes Medizinstudium: „Schritt zurückgehen“

ARCHIVBILD: MED-UNI GRAZ: ONKOLOGE HELLMUT SAMONIGG WIRD NEUER REKTOR
ARCHIVBILD: MED-UNI GRAZ: ONKOLOGE HELLMUT SAMONIGG WIRD NEUER REKTOR(c) MED UNI GRAZ/CHRISTIAN JUNGWIRTH
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Hellmut Samonigg, neuer Rektor der Med-Uni Graz, will das Studium reformieren. Mehr Medizinabsolventen zu produzieren, sei nicht die richtige Strategie gegen den Ärztemangel. Forschung soll stärker fokussiert werden.

Graz. Der neue Rektor der Medizin-Universität Graz ist nicht vollends glücklich damit, wie sich das Medizinstudium entwickelt hat. „Wir hatten früher mehr Chancen, uns Schritt für Schritt eine Basis zu erarbeiten“, sagt Hellmut Samonigg im Gespräch mit der „Presse“: Man habe sich in die einzelnen Bereiche wie Anatomie, Physiologie oder Biochemie eingearbeitet und diese stufenweise vernetzt. Heute sei das Studium dagegen sehr früh sehr komplex. „Ich glaube, dass wir einen Schritt zurückgehen sollten.“ Das sei ein Thema für die Studierenden und auch für die gesamte Studienorganisation.

Was den Andrang deutscher Studenten angeht, hofft der Onkologe auf eine Verlängerung der Medizinerquote. „Alles andere wäre ja komplett kontraproduktiv.“ Damit genügend Ärzte in Österreich ihre Tätigkeit ausübten, müsse man aber bei der Ausbildung nach dem Studium und den Arbeitsbedingungen ansetzen. Mehr Studienplätze würden das Problem nicht lösen. „Solange der andere Bereich, der multifaktoriell ist, nicht gescheit gelöst ist, ist das nicht die Antwort. Mehr zu produzieren halte ich nicht für den richtigen Fokus. Es ist nicht sinnvoll, ein Gefäß, das unten ein Loch hat, mit immer höherer Geschwindigkeit oben mit Wasser zu befüllen“, sagt der Rektor. Mit der vor anderthalb Jahren neu gegründeten Medizinfakultät Linz zu kooperieren und für einen Teil der Studenten die vorklinische Ausbildung an der Med-Uni Graz anzubieten, sei trotzdem richtig gewesen. Die Med-Uni habe sich unter seinem Vorgänger Josef Smolle entschlossen, zu kooperieren, statt weiter in Opposition zu bleiben, nachdem die politische Entscheidung festgestanden sei.

An die FH? „Keine gute Idee“

Von der aktuellen Diskussion darüber, welche Studien von Unis an Fachhochschulen verlagert werden könnten, fühlt er sich nicht angesprochen. „Ich hielte das für gar keine gute Idee.“ Die moderne Medizin, in der es deutlich mehr als bloße Handwerker oder Reparaturmediziner brauche, benötige eine wissenschaftliche Basis. „Das ist an einer Fachhochschule nicht ausreichend gewährleistet. Ganz abgesehen davon, dass es dort keinen Zugang zu Patienten gibt.“

Mit dem Budget für die kommenden drei Jahre, das noch sein Vorgänger ausverhandelt hat, könne die Med-Uni leben, sagt Samonigg. In drei Bereichen habe es eine deutliche Steigerung gegeben: bei den Ärztegehältern, bei den Mitteln für die Mediziner, die für Linz ausgebildet werden, und bei der Ausstattung für den neuen Medizin-Campus, der 2017 eröffnet wird. Die große Herausforderung sei, wie man gestalten könne, obwohl ein großer Teil des Budgets in Personalausgaben fließen müsse.

So sollen etwa die Forschungsaktivitäten stärker fokussiert werden. „An unseren Forschungsfeldern wird sich bis auf Weiteres nichts ändern. Aber ich werde andiskutieren, sich innerhalb dieser stärker zu fokussieren. Bei allem Bekenntnis zu wichtigen Einzelforschungen brauchen wir Großforschungsthemen, die attraktiv genug sind, um international kompetitive Projekte einwerben zu können.“

ZUR PERSON

Hellmut Samonigg
(64) steht seit 15. Februar an der Spitze der Med-Uni Graz. Der Onkologe und Gründer der Initiative „Don't Smoke“ folgt Josef Smolle nach, den der Senat nicht mehr in seinen Dreiervorschlag aufnahm. [ Med-Uni Graz ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

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