Ungarn als Vorbild: Bleibepflicht für Mediziner

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Gratisstudium oder Stipendien gibt es nur, wenn man im Land bleibt. Mitterlehner findet das Modell interessant.

Budapest. Während die Regierung um die Verlängerung der Österreicherquote für das Medizinstudium ringt, werden auch erste Alternativen ventiliert. Vor Kurzem sagte Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) der „Presse“, Ungarns Modell einer Bleibepflicht für junge Ärzte sei ein Denkansatz für Österreich, falls die EU-Kommission der Verlängerung der Quote nicht zustimmen sollte. Aber wie sieht das ungarische Modell aus – und wie funktioniert es?

Zum Hintergrund: Die erste Regierung des Ministerpräsidenten Viktor Orbán (1998–2002) baute das ungarische Bildungswesen massiv aus, setzte auf kluge Köpfe statt niedrige Löhne als Wettbewerbsvorteil. Die Kosten waren immens, die Folgen enttäuschend: Die mit Steuergeldern teuer ausgebildeten jungen Ärzte und Ingenieure wanderten ins westliche Ausland ab, wo sie mehr verdienten.

Als Orbán 2010 erneut an die Macht kam, zog er aus diesen Erfahrungen die Konsequenzen. Eine heftig umstrittene erste Reform enthielt eine Regel, die von Kritikern als „Bindung an die Scholle“, also Leibeigenschaft, karikiert wurde. Wer wie bisher gratis Medizin studieren wollte, also auf Kosten des Staates, musste eine Verpflichtung unterscheiben, nach Abschluss des Studiums mindestens vier Jahre lang in Ungarn zu arbeiten.

Unterstützung für Fachärzte

Eine weitere Reform dehnte diese Regel später auf alle Fakultäten aus. Man kann natürlich auch ohne Verpflichtungen studieren – wenn man bezahlt. Insofern ist die Reform auch eine verkappte Einführung von Studiengebühren für jene Studenten, die sich nicht an Ungarn binden wollen.

Mittlerweile schließen sich weitere staatliche Subventionen an das Programm an. Nach dem Grundstudium können Medizinstudenten, die sich auf einen bestimmten Fachbereich spezialisieren, Stipendien von umgerechnet etwas mehr als 300 Euro monatlich erhalten. Im Gegenzug verpflichten sie sich, so lange in Ungarn zu arbeiten, wie sie das Stipendium bekommen haben – zusätzlich zu den vier Jahren, zu denen man sich als subventionierter Student verpflichten muss.

Anschließend gibt es ähnliche Stipendien für Ärzte, die nach dem Uni-Abschluss in den Beruf starten. Die Regierung sieht das Programm als erfolgreich: Jeder zweite Student in der Fachausbildung nehme die Stipendien in Anspruch. Die Behörden schätzen, dass es so gelungen sei, „2500 junge Ärzte im Land zu halten“. Die Ärzte sehen es kritisch. Man könne noch nicht abschätzen, ob es sich um einen Erfolg oder Misserfolg handelt, sagt Tamás Dénes vom Fachärzteverband Reszasz. „Es ist zu früh zu sagen, ob es funktioniert. Die Studenten, die unter den Bedingungen antraten, werden erst fertig mit dem Studium.“

Stipendien für Burgenländer

Ausgerechnet aus jenem Bundesland, das Ungarn am nähesten ist, kommt inzwischen erstmals ein konkreter Bleibepflichtvorschlag: Die burgenländische ÖVP fordert, dass das Bundesland jedes Jahr 20 Stipendien an Jungärzte vergibt – an die dann eine Verpflichtung geknüpft ist, mindestens fünf Jahre im Burgenland zu arbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)

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