Die Rektoren der heimischen Medizin-Unis halten den Plan B des Wissenschaftsministers für durchaus diskussionswürdig. Die Chancen für eine Verlängerung der Österreicher-Quote schätzen sie unterschiedlich ein.
Wien. Dass Medizinstudenten ein Stipendium bekommen können und sich im Gegenzug verpflichten, als junge Ärzte ein paar Jahre in Österreich zu arbeiten, sehen die Rektoren der Medizin-Unis als einen spannenden Ansatz. „Ich halte die Idee für interessant und wert, darüber zu diskutieren“, sagt Med-Uni-Wien-Chef Markus Müller zur „Presse“. Österreich sei international ein Nettoproduzent in der Ärzteausbildung, also: Es werden viele junge Mediziner ausgebildet – aber rund 40 Prozent von ihnen würden nach dem Studium das Land verlassen. Die Diskussion darüber, wie die Situation gelöst werden könne, sei daher begrüßenswert, sagt der Rektor.
Beihilfen, die mit einer Bleibepflicht verknüpft sind, hat zuletzt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im Gespräch mit der „Presse“ in die Diskussion gebracht – als möglichen Plan B, falls die EU-Kommission das Moratorium für die Medizinerquote, die drei Viertel der Studienplätze für Österreicher reserviert, nicht verlängert. Dieses läuft Ende des Jahres aus und die Regierung ringt derzeit um eine Verlängerung (siehe Faktenkasten). „Es wäre ein Ansatzpunkt, um gegenzusteuern, wenn gegen unsere Erwartungen ein Nein herauskommt“, sagte Mitterlehner.
Er hat konkret das nicht unumstrittene ungarische Modell als Inspiration genannt. Mediziner, die dort keine Studiengebühren bezahlen, verpflichten sich dazu, nach dem Studium mindestens vier Jahre lang im Land zu arbeiten. Und es gibt nach dem Grundstudium dort auch ein Stipendiensystem, das ähnlich funktioniert: Mediziner verpflichten sich, gleich lang in Ungarn zu arbeiten, wie sie diese Beihilfe in der Höhe von rund 300 Euro pro Monat bekommen haben.
Wer ein spezielles Stipendium bekommt, der muss bleiben: Als Anreiz für junge Ärzte, nach dem Studium im Land zu bleiben, halten den Vorschlag auch die Rektoren Hellmut Samonigg von der Medizinuniversität Graz und Meinhard Lukas von der Universität Linz (die seit zwei Jahren Ärzte ausbildet) für eine gute Diskussionsgrundlage. Für berechtigt hält ihn auch die Innsbrucker Rektorin, Helga Fritsch. Sie gibt aber zu bedenken, dass das nur ein zusätzlicher Anreiz sein dürfe. „Generell ist der freie Zugang zu einem Studium und die freie Berufswahl zu achten.“
Viele Krankenhäuser, wenig Geld
Einig sind sich alle – der Wissenschaftsminister eingeschlossen – , dass die Rahmenbedingungen für junge Ärzte in Österreich grundsätzlich verbessert gehören. „Es ist wichtig, den jungen Ärzten und Ärztinnen Arbeitsbedingungen zu bieten, unter denen sie gern in Österreich leben und arbeiten. Das wird entscheidend sein“, sagt der Uni-Linz-Chef Lukas. „Die Lösung des Problems wäre eine seit Langem fällige Reform der österreichischen Versorgungsstrukturen, um den Medizinerberuf in Österreich attraktiver zu gestalten“, sagt Medizin-Uni-Wien-Rektor Müller. Historische Missstände – Ärzteschwemme, Qualifikationsspirale nach unten, Krankenhauslastigkeit und unterdurchschnittliche Bezahlung – seien aber immer noch Hindernisse für eine hohe Attraktivität des Landes für Mediziner, sagt Müller.
Die Chancen, dass das Moratorium für die Medizinerquote verlängert wird, schätzen die Rektoren unterschiedlich hoch ein. Lukas ist zuversichtlich, dass die Verhandlungen zu einer Beibehaltung der Quotenregelung führen werden. Auch Samonigg sieht „realistische Chancen“ und hält es daher für kontraproduktiv, Alternativen zu einer Verlängerung der Medizinerquote zu diskutieren. Müller klingt weniger optimistisch. „Das ist schwer vorherzusagen“, sagt er. „Die Regelung ist jedenfalls eine aufgrund österreichischer Strukturmängel unbedingt nötige Hilfskonstruktion, die allerdings nicht der Idee eines geeinten Europas entspricht.“
Stipendien für Studenten „fast zynisch“
Von der Idee eines Stipendiums mit Bleibepflicht halten die Medizinstudenten dagegen wenig. „Wir sind dagegen, Studierende so zu fesseln“, heißt es aus der Hochschülerschaft der Medizinuniversität Wien. Es sei „schon fast zynisch“, wenn der Wissenschaftsminister derartige neue Stipendien schaffe, die die Studierenden „in eine Abhängigkeit treiben“ würden, statt die derzeitigen, mangelhaften Beihilfensysteme auszubauen.
Auf einen Blick
Medizinerquote. Das Moratorium für die Quote, die 75 Prozent der Medizinstudienplätze für Kandidaten mit österreichischem Maturazeugnis reserviert, läuft Ende des Jahres aus. Die Regierung verhandelt mit der EU-Kommission über eine Verlängerung. Vor allem die Tatsache, dass viele deutsche Medizinstudenten nach dem Studium das Land verlassen, ist ein Argument für die Quote. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gibt sich optimistisch – hat aber Ideen für einen Plan B.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)