Psychologiestudium: Mehr Deutsche als Österreicher

(c) Clemens Fabry
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In Innsbruck kommen bereits 79 Prozent der Studienanfänger aus Deutschland. Da die Absolventen meist nicht in Österreich bleiben, warnen Experten vor einem Engpass bei der psychologischen Versorgung.

Wien. Der Kampf um die Medizinerquote geht in die entscheidende Phase. Denn zu Jahresende läuft die Quote für das Medizinstudium aus. Durch sie werden derzeit 75 Prozent der Studienplätze für Österreicher reserviert. Daran will die Regierung unbedingt festhalten. Allerdings muss sie dafür beweisen, dass ohne eine solche Quote so viele ausländische, also vor allem deutsche Studenten ins Medizinstudium strömen würden, dass sich die Gesundheitsversorgung im Land nicht aufrechterhalten ließe. Diese Beweisführung will Österreich noch im Oktober antreten und der EU-Kommission demnächst einen entsprechenden Abschlussbericht übermitteln.

Medizin ist das einzige Fach, in dem es in Österreich überhaupt eine solche Quote gibt. Dabei wurde auch für das Fach Psychologie in der Vergangenheit schon des Öfteren die Einführung einer Quote gefordert. Wie damals in Medizin gibt es nämlich auch in Psychologie einen besonders starken Andrang deutscher Studenten. An der Uni Innsbruck hat der Anteil der Deutschen unter den Psychologiestudienanfängern heuer einen Höchststand erreicht. 79 Prozent der Studienanfänger sind dort Deutsche. Es stehen also 158 Deutsche 39 Österreichern gegenüber (siehe Grafik). Ein ähnliches Bild liefert die Uni Salzburg. Dort kommen 70 Prozent der Psychologieanfänger aus Deutschland. An der Uni Klagenfurt ist der Deutschenanteil zwar deutlich geringer, aber immer noch höher als jener der Österreicher. Nur in Wien und Graz ist es anders.

Insgesamt gibt es an Österreichs Unis schon seit einigen Jahren mehr deutsche als österreichische Studienanfänger in Psychologie. Dass der Andrang der Deutschen gerade in diesem Fach so hoch ist, lässt sich durch die strengen Aufnahmekriterien in Deutschland erklären. Für ein Psychologiestudium ist dort je nach Uni ein Notendurchschnitt von 1,1 bis 1,7 nötig. Damit ist der Numerus clausus (NC) nur in Medizin noch strenger. Bei den Aufnahmetests, die 2005 in Österreich eingeführt wurden, tun sich die Deutschen verhältnismäßig leicht. Sie bestehen diese deutlich häufiger als ihre österreichischen Kollegen.

Ausbildung für den deutschen Markt

An der Skepsis gegenüber der hohen Zahl deutscher Studenten ändert das nur wenig. „Es ist schon ein Problem, dass an zwei österreichischen Uni-Standorten eigentlich für den deutschen Markt ausgebildet wird – und zwar ohne finanzielle Kompensation“, sagt Aljoscha C. Neubauer, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie, zur „Presse“. Problematisch sei die hohe Zahl der Deutschen vor allem deshalb, „da man ohnehin weiß, dass sie nach dem Studium großteils wieder das Land verlassen“, sagt Neubauer. Tatsächlich plant laut Studierendensozialerhebung nur ein Drittel der ausländischen Studierenden, nach dem Abschluss in Österreich zu bleiben. Bei Deutschen ist die Bleibeabsicht (nach den Südtirolern) am zweitgeringsten. Wenn sich diese Tendenzen in Zukunft fortsetzen, „dann ist zumindest regional mit einem Engpass bei der psychologischen Versorgung zu rechnen“, warnt Neubauer. Das wäre ein Argument für die Quote.

Im Wissenschaftsministerium will man von einer Quote für Psychologie allerdings nichts wissen. Das sei kein Thema und Internationalität ja auch gut. International sind die heimischen Unis tatsächlich. Insgesamt kommen mehr als 90.000 Studenten aus dem Ausland. Ein Viertel der Studenten hat also keinen österreichischen Pass. Die größte Gruppe sind darunter mit rund 35.000 Studenten die Deutschen. Ihre Zahl ist seit 2009 um mehr als 40 Prozent gestiegen.

Umgekehrt steigt auch die Zahl österreichischer Studenten in Deutschland – wenn auch in einer anderen Dimension. 2015 waren 9900 Österreicher an deutschen Unis inskribiert. Mehr ausländische Studenten stammen in Deutschland nur aus China (30.300), Indien (11.700) und Russland (11.600).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2016)

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