Ein Jahr Bildungsreform: Wie sich die Schule verändert

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Eigentlich sollte schon im Juni die gesetzliche Basis für die Neuerungen stehen. Tatsächlich sind heute manche Punkte (annähernd) umgesetzt. Einiges ist aber noch in der Schwebe. Oder in der Schublade.

Wien. Manche ahnten es von Beginn an, sicher war es aber ein paar Monate nach der Präsentation des Bildungsreformpapiers am 17. November 2015: Der Zeitplan für die Umsetzung der mühevoll ausverhandelten Neuerungen hält nicht. Wäre es danach gegangen, wäre die Reform noch vor dem Sommer in Gesetze gegossen worden. Tatsächlich geht die Umsetzung um einiges schleppender vor sich, Streitereien inklusive, etwa über die Größe der Gesamtschulmodellregionen oder darüber, wer in der neuen Schulverwaltung wirklich das Sagen hat.

„Die Presse“ hat sich angesehen, wie weit die einzelnen Puzzlesteine der Bildungsreform – vom Kindergarten über die Schulautonomie bis zur Schulverwaltung – ein Jahr danach gediehen sind.

Kindergarten

Es gibt seit August zumindest ein Konzept für den Bildungskompass, mit dem die Entwicklung der Kinder dokumentiert werden soll. Und dieser Tage soll auch klar werden, in welchem Bundesland das Instrument als Erstes ausprobiert werden soll. Was es kosten wird, wird dann auch mit den Ländern besprochen. Sonst ist beim Kindergarten aber nicht viel passiert. Im Familienressort von Sophie Karmasin verweist man auf den Finanzausgleich, der ab 2018 eine aufgabenorientierte Kindergartenfinanzierung vorsieht. Bis September werde dann sowohl über den bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmen gesprochen (der Ende dieses Jahres fertig sein sollte) als auch über das zweite Pflichtkindergartenjahr. Wenn die Kindergartenbesuchsquote durch die Gespräche mit Eltern über die Verweigerung gesteigert werde, brauche man das (Gratis-)Jahr aber vielleicht ohnehin nicht. Immerhin wurden die Kindergartenschulen reformiert.

Volksschule

Es war sozusagen das Abschiedsgeschenk für Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Bei ihrem letzten Ministerrat im heurigen Mai wurde der erste Teil der Bildungsreform beschlossen: das sogenannte Schulrechtspaket, das unter anderem den Verzicht auf Ziffernnoten in den ersten drei Volksschulklassen erleichtert. Das ist – wie die Sprachstartkurse und das leichtere jahrgangsübergreifende Unterrichten – mit Herbst sogar schon in den Schulen angekommen. Fixiert wurde im Mai auch die paktierte neue Schuleinschreibung, bei der Eltern die im Kindergarten erstellte Dokumentation über Sprachstand und Entwicklung des Kindes vorlegen. Ein wie geplant verschlankter und modernisierter Lehrplan für die Volksschule ist allerdings noch nirgends zu finden.

Autonomie

Beim konkreten Gesetzestext könnte es sich noch spießen. Die Eckpunkte des Autonomiepakets – für viele das Herzstück der Reform – stellten Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) aber vor einem Monat Seite an Seite vor. In einem Punkt gehen diese sogar weiter als ursprünglich paktiert: Direktoren sollten ihre Lehrer frei aussuchen dürfen, statt nur ein Vetorecht einlegen zu können. Auch die Freiheit bei den Lehrplänen soll größer werden. Laut Bildungsressort soll es stärker um Ziele gehen, die erreicht werden – der Weg dorthin soll relativ frei gestaltet werden. Bei der finanziellen Verantwortung ist dagegen weniger passiert. Dass Direktoren freie Hand bei der Klassengröße haben sollen, wurde von vielen Schulleitern begrüßt, sorgte aber für massiven Widerstand von Gewerkschaft und Eltern. Es wird sich zeigen, ob das auch im tatsächlichen Gesetzesentwurf, der im Dezember den Ministerrat passieren soll, noch so steht.

Gesamtschule

Die geplanten Gesamtschulmodellregionen sorgten gleich nach der Präsentation der angeblichen Kompromisslösung wieder für Unruhe. Nämlich, als Bildungsministerin Heinisch-Hosek meinte, die Obergrenze bei fünf Prozent der Schülerzahlen sei für sie nicht in Stein gemeißelt. Worauf die ÖVP nicht erfreut reagierte. Die Frage, ob Vorarlberg seine Extraklausel bekommt und das ganze Bundesland zum Versuch machen darf, war der nächste Streitpunkt. Mit dem Rückzieher von einem ähnlichen Plan machte Wien immerhin den Weg für eine Lösung ein wenig freier. Mitte Oktober hieß es, dass die Modellregionen noch dieses Jahr konkret werden könnten. Genaueres ist aber noch offen.

Schulverwaltung

Es war einer der Punkte, um die am erbittertsten gerungen wurde – und dessentwegen die Landeschefs Erwin Pröll und Hans Niessl die Reform beinahe zum Platzen brachten: die Schulverwaltung mit der Frage, ob Bund oder Länder Macht über die Lehrer (und ihre Gehälter) haben sollen. Paktiert wurden sogenannte Bildungsdirektionen, Zwitterbehörden zwischen Bund und Ländern, die die derzeitigen Landesschulräte ablösen sollten. Woraufhin wieder darüber gestritten wurde, wer darin dann das Sagen hat. Wenig überraschend, dass bei der Verwaltung – die eigentlich ab vergangenem August neu sein sollte – lang außer zähem Ringen im Hintergrund nichts passiert ist. Dem Vernehmen nach hat sich inzwischen einiges konkretisiert. Mahrer stellte zuletzt eine Finalisierung vor Weihnachten in Aussicht.

Innovationen

Gerade rechtzeitig hat das Wissenschaftsministerium zehn Tage vor dem Jahrestag einen Puzzlestein in Begutachtung geschickt: die Innovationsstiftung für Bildung, die mit zunächst einmal 50 Millionen Euro aus der Bankenabgabe neue Ideen in Feldern wie Digitalisierung und für Begabtenförderung forcieren soll. Offen ist, wie schnell bei der zweiten Innovation zur Tat geschritten werden soll: Bis 2020 sollten alle Schulen mit ultraschnellem Internet und W-LAN ausgestattet werden.

(C) DiePresse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)

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