Oxford: Die „entsetzlich schlechte“ Elite-Uni

Auch beim traditionellen Wettrudern die Elite: die Studenten der britischen Unis Oxford (rechts) und Cambridge.
Auch beim traditionellen Wettrudern die Elite: die Studenten der britischen Unis Oxford (rechts) und Cambridge. (c) EPA
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Die Klage eines Exstudenten bringt die Oxford University unter Druck. Aber als Kaderschmieden bleiben die britischen Elite-Universitäten unschlagbar – trotz so mancher Zukunftssorgen.

Oxford. Auf Spott und Hohn musste Faiz Siddiqui nicht lang warten: Nachdem der 38-Jährige vor dem britischen High Court gegen die Elite-Uni Oxford Klage wegen „entsetzlich schlechten“ und „langweiligen“ Unterrichts eingebracht hat, herrscht in den Internetforen seit Tagen heller Aufruhr: „Das ist ein Zeichen für alles, was in unserer Gesellschaft schiefläuft. Schickt ihn ins Bergwerk arbeiten“, erregte sich ein Leser der Tageszeitung „Daily Mail“, auf die in Sachen Empörung traditionell Verlass ist.

Siddiqui argumentiert, dass ihn Mängel bei seiner Ausbildung an Berufserfolgen im späteren Leben gehindert hätten. Dass er zu dieser Erkenntnis satte 16 Jahre brauchte, macht seine Einlassung nicht gerade überzeugender. Die Universität beantragte bereits, die Klage als gegenstandslos abzuweisen.

Die britischen Elite-Unis eilen unbeeindruckt davon weiter von Erfolg zu Erfolg. Erstmals liegt für das Studienjahr 2016/17 die Universität Oxford im jüngsten Ranking des angesehenen Fachjournals „Times Higher Education“ weltweit auf Platz eins und verdrängt damit das California Institute of Technology von der Spitze. Die Universität Cambridge behauptet Rang vier und das Londoner Imperial College bleibt auf der achten Stelle.

Den Erfolg von Oxford führt Rektorin Louise Richardson auf ein ideales Umfeld zurück: „Jede Universität ist nur so gut wie die Lehrkräfte, die sie gewinnen kann. Die besten Forscher locken wiederum andere Spitzenkräfte an. Das bringt uns wiederum die besten Studenten und Forschungsfinanzierung.“ Für die 3200 neuen Studienplätze, die im Vorjahr ausgeschrieben wurden, gingen 18.000 Bewerbungen ein. Oxford hatte zuletzt 19.718 Studenten in 44 Colleges, auf einen akademischen Betreuer kamen nur elf Studenten. „Sie werden auf Händen getragen“, sagt der Vater eines Studierenden.

Brexit vertreibt Studenten

35 Prozent der Studenten in Oxford und Cambridge sind Ausländer, davon kommen unter den Studienanfängern zehn Prozent aus der EU. Nach dem Votum der Briten für den Brexit ist die Zahl der Anträge in Cambridge um 14 Prozent gefallen. Zwar stellte die britische Regierung klar, dass EU-Studenten vorerst ihren britischen Kommilitonen gleichgestellt bleiben. Aber die Zusage von Universitätsstaatssekretär Jo Johnson reicht nicht über das Studienjahr 2018/19 hinaus, wenn mit der Umsetzung des EU-Austritts gerechnet wird.

Daher fürchten die Universitäten nun, akademisch ausgezeichneten – und zahlungskräftigen – Nachwuchs zu verlieren: 43 Prozent der möglichen EU-Studenten sagten in einer Umfrage, dass sie wegen des Brexit ihre Entscheidung für ein Studium in Großbritannien noch einmal überdenken würden. Den Universitäten droht damit ein Einnahmenverlust von fast 700 Millionen Pfund. Die Studiengebühr für britische und EU-Studenten wurde in England soeben auf 9250 Pfund im Jahr angehoben (umgerechnet 11.000 Euro).

Auch der Verbleib führender Wissenschaftler ist fraglich. „Wir sind sehr besorgt über die anhaltende Unsicherheit zu Fragen wie etwa dem Aufenthaltsrecht für unser Lehrpersonal“, erklärte etwa die London School of Economics in einer Parlamentsanhörung. Die Universität Cambridge warnte ebenda vor einer „ernsten Gefahr für die Zukunft der Forschung“ in Großbritannien. Rund 20 Prozent aller Lehrkräfte an den Topuniversitäten des Landes sind EU-Bürger. „Viele überlegen sich jetzt ihre nächsten Schritte“, hieß es.

Zudem fließt bisher im Jahr eine Milliarde Euro aus dem EU-Budget in die britische Forschung. Zwar hat die Regierung in London bereits zugesagt, diesen Betrag nach dem Austritt übernehmen zu wollen. Was London aber nicht ersetzen kann, ist der gesamte europäische Forschungsverbund, in dem Elite-Universitäten wie Oxford und Cambridge heute eine Schlüsselposition einnehmen.

Weg zu Schaltstellen der Macht

Die Elite-Unis stehen aber auch vor anderen Herausforderungen. Immer noch bleibt die Zahl der Studenten aus unteren Schichten an den führenden Institutionen hinter den selbst gesteckten Vorgaben. Das hat nicht nur finanzielle Gründe. „Dass ich einmal nach Oxford gehen würde, erschien mir wie eine Reise zum Mars“, sagt die 18-jährige Varaidzo Kativhu, die sich für ein Einführungsprogramm qualifizieren konnte.

Nicht nur sind die Elite-Universitäten extrem kompetitiv, sie sind auch weiterhin eine Domäne der herrschenden Klassen: Sieben der jüngsten zehn britischen Premierminister waren Absolventen von Oxford. Außerdem finden 95 Prozent der Studienabgänger innerhalb von nur sechs Monaten eine permanente Stelle. An allen Schalthebeln der Macht in Großbritannien – Politik, Wirtschaft, Justiz und Medien – finden sich Alumni von „Oxbridge“, also von Oxford oder Cambridge. Dass der vorm High Court stehende Faiz Siddiqui nicht dazugehört, sagt wohl mehr über ihn als über seine Universität aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2016)

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