"Leistungsselektion": Kern bricht Tabus bei Uni-Zugang

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Für jeden Schüler will der Kanzler kostenlose Tablets und Laptops. Es soll ein Recht auf einen Kindergartenplatz geben. Und ein Superministerium.

Mit einer seiner Schulideen sieht sich Christian Kern in der Tradition von Bruno Kreisky: Während unter jenem das kostenlose Schulbuch eingeführt wurde, soll unter Kern das kostenlose Tablet kommen. Jeder Schüler soll nach der Volksschule ein solches bekommen. In der neunten Schulstufe soll es dann für jeden einen gratis Laptop geben. Das wäre auch das Ende der klassischen Schulbücher. „Durch die verstärkte Nutzung dieser Geräte entfallen zum Teil nicht zuletzt auch Produktions- und Vertriebskosten für konventionelle Bücher.“

Die Kosten von Gratislaptops und Tablets würden sich nach der Rechnung des Ministeriums auf einmalig 100 Mio. Euro sowie weitere 100 Mio. Euro jährlich belaufen. Die Einrichtung von WLAN in jeder Klasse würde zusätzlich mit einmalig 100 Mio. Euro zu Buche schlagen.

Mehr Zugangsbeschränkungen

Definitiv weg von den den klassischen SPÖ-Positionen geht es dagegen bei den Unis. Die SPÖ dürfte sich in Richtung mehr Zugangsbeschränkungen bewegen. In dem Papier spricht sich der Kanzler für eine Studienplatzfinanzierung inklusive Platzbeschränkungen aus. Es brauche mehr Geld für die Universitäten und bessere Beratungsangebote, aber auch eine „stärkere Steuerung der Studierendenflüsse“, heißt es in dem Papier.

Konkrete Fächer werden nicht genannt. Es gehe „immer noch um Studienklassiker, die stärker frequentierten Studiengänge, in denen das Betreuungsverhältnis demnach besonders schlecht ist“.

Absolventen als Maßstab für Plätze

Besonders interessant: Für die Anzahl der Anfängerplätze nennt Kern ein Modell, das sich ursprünglich die Universitäten ausgedacht haben und das auch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) schon für gut befunden hat: „Im Gegensatz zur aktuellen Situation könnte sich die Zahl der Studienplätze (unter Einbeziehung jährlich steigender Studierendenzahlen) von einer Mindestzahl zu einer Maximalzahl wandeln, die sich an der aktuellen AbsolventInnenzahl zuzüglich einer Dropout-Rate orientiert“.

Das ist eine Art Tabubruch: Denn bisher hatte die SPÖ - wenn sie sich denn uni-politisch überhaupt zu Wort meldete - stets darauf beharrt, dass die Zahl der Studienanfänger nicht geringer sein dürfe, als sie es zuletzt war. Auch wenn es eine Studienplatzfinanzierung gebe: Die Zahl der Studienplätze dürfe nicht weniger werden. Deshalb richten sich diese bei den jüngsten beschränkten Studien (unter anderem Wirtschaft, Pharmazie, Biologie) nach den Anfängerzahlen im Wintersemester 2012.

Die ÖVP zeigte sich naturgemäß erfreut über den neuen Zugang des Koalitionspartners. Es sei "erfreulich, dass die SPÖ sich endlich auch für die Hochschulen interessiert und bereit ist, über einen realistischen Zugang zum Studium zu sprechen", so Vizekanzler Mitterlehner. Lob gab es auch von den Uni-Rektoren.

5000 neue Plätze im Technikbereich

Unter dem Stichwort „Uni mal anders gedacht“ regt Kern an, Bachelorstudien in größere Gruppen zusammenzuführen - etwa Kunst, Naturwissenschaft, Medizin, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften. Je nach Gruppe soll dann die öffentliche Hand entscheiden, wie viele Plätze finanziert werden. Gleichzeitig plädiert er für den Ausbau „zukunftsträchtiger Studienfächer“etwa in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. An Unis und Fachhochschulen sollen 5000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Auch mit dem in der SPÖ nicht gerade beliebten Reizwort Selektion hat Kanzler Kern im Uni-Bereich offenbar kein Problem: „Es geht um Leistungsselektion statt sozialer Selektion“, heißt es in dem Papier. Dafür bleibt man hier bei der klassischen SPÖ-Position: Es soll keine Studiengebühren geben. Dafür sollen die Einkommensgrenzen für die Studienbeihilfen valorisiert und die Gruppe der Bezieher ausgeweitet werden. 

Außerdem will Kern für die Universitäten eine Exzellenzinitiative nach deutschem Vorbild - bei der am Ende vier Exzellenzuniversitäten übrig bleiben sollen: Zunächst sollen zehn Forschungscluster Extrageld bekommen. Die besten vier dieser zehn können wiederum eine Exzellenzprämie bekommen. Die soll „eine Umstrukturierung der gesamten Uni ermöglichen“. Sie soll sich langfristig auf bestimmte Themengebiete spezialisieren „und sich dadurch vom Rest abheben“.

Lehrer an Brennpunktschulen belohnen

Zurück zur Schule: Da sollen Ressourcen dorthin, wo sie dringend gebraucht werden. Brennpunktschulen sollen nach einem Sozialindex Extrageld bekommen, Lehrer sollen dafür belohnt werden, wenn sie einige Jahre an eine solche Schule gehen. Mehrere Jahre an einer solchen Schule sollen auch Voraussetzung für leitende Positionen im Schulwesen sein. Kern will außerdem den Lehrerberuf stärker für Quereinsteiger öffnen, etwa in dem das Masterstudium breiter zugänglich wird.

Ordentlich Geld will Kern auch für die Kindergärten in die Hand nehmen. Bis zum Jahr 2020 soll eine sogenannte „Krippenmilliarde“ ausgeschüttet werden. Diese geht Hand in Hand mit einem zweiten verpflichtenden - und kostenlosen - Kindergartenjahr. Es soll einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geben, zunächst für Drei- bis Sechsjährige. Ab dem Jahr 2020 will Kern dann einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr.

Ein Superministerium für Bildung

Dass für die Bildungsbereiche vier verschiedene Ministerien zuständig sind - Bildung, Wissenschaft, Technologie und Familie -, findet der Kanzler übrigens nicht gut. All diese verschiedenen Bereiche – Schule, Universitäten und Kindergarten – würde er in einem Superministerium für Bildung zusammenfassen.

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