Kanzler Kern bricht mit einem roten Tabu und spricht sich für Zugangsbeschränkungen aus. Der Rektorenchef sieht darin "sein erstes Neujahrwunder".
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat ein sozialdemokratisches Tabu gebrochen. In seinem "Plan A" spricht er sich, obwohl die SPÖ den freien Hochschulzugang bislang hoch hielt, für weitere Zugangsbeschränkungen an Universitäten aus. Intern gab es dafür (teilweise) Kritik. Applaus erntet Kern aber vom Koalitionspartner und den Uni-Rektoren.
Der Präsident der Universitätenkonferenz (uniko), Oliver Vitouch, sieht in den Aussagen Kerns (SPÖ) zur Studienplatzfinanzierung "sein erstes Neujahrswunder". Er wünschte sich beim uniko-Neujahrsempfang am Donnerstagabend eine Verordnungsermächtigung für Rektorate, in überlaufenen Fächern die Zahl der Plätze zu limitieren.
Der freie Hochschulzugang sei laut Vitouch nicht mehr zeitgemäß: "Während er 1972 goldrichtig war und den Zweck der Öffnung gut erfüllt hat, sind Wunsch und Wirklichkeit seit damals auseinandergegangen." Überhaupt müsse man vom "angeblich freien Zugang" sprechen, weil es ihn in vielen Fächern nicht mehr gebe, bzw. vom "real existierenden freien Zugang": Wo er noch existiere, gebe es schlechte Arbeitsbedingungen, hohe Drop-out-Raten und eine schlechte soziale Durchmischung.
Insgesamt müsse die Verbindlichkeit zwischen Unis und Studierenden steigen, meinte Vitouch: Seitens der Uni bedeute das eine Art Sorgsamkeitspflicht für jene, die die Aufnahme geschafft und eine realistische Chance auf Beendigung des Studiums haben. Sozialer Selektivität müsse durch aktive Programme entgegengewirkt werden - und zwar indem man die Unis finanziell dafür belohne, diese auch tatsächlich durchzuführen.
Wo es Aufnahmetests gibt
Tatsächlich ist der Zugang an den Hochschulen schon lange nicht mehr ganz frei. Laut Zahlen des Wissenschaftsministerium ist der für einen guten Teil der Uni-Studenten schon jetzt Geschichte: Jeder Dritte muss bereits durch ein Aufnahmeverfahren.
Allein die Zugangsbeschränkungen in den stark nachgefragten Studienfeldern (Architektur, Biologie, Informatik, Pharmazie, Wirtschaftswissenschaften, in denen seit 2013/14 die Studienplatzfinanzierung erprobt wird, sowie im seit 2005/06 zugangsbeschränkten Fach Publizistik) betreffen 23 Prozent der Studienanfänger in allen Bachelor- und Diplomstudien an den Unis. Aufnahmeprüfungen finden hier nur statt, wenn es mehr Anmeldungen als Studienplätze gibt. 2016/17 mussten Interessenten in 26 der 40 betroffenen Einzelstudien zum Test antreten.
Berücksichtigt man noch die anderen Studien mit Aufnahmeverfahren (für die deutschen Numerus-Clausus-Fächer Medizin, Veterinärmedizin, Psychologie; Lehramtsstudien; Master- und Doktoratsstudien) sowie die Studien an den Kunstuniversitäten bzw. Sport, wo traditionell die künstlerische bzw. körperliche Eignung überprüft wird, sind 33,8 Prozent aller Studienanfänger von einer Art Zugangsregelung betroffen.
Betrachtet man alle Hochschulen, besuchen rund 20 Prozent aller Studenten in Österreich eine Einrichtung, wo generell Zugangsbeschränkungen existieren, also Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Privatunis, Kunstuniversitäten.
(APA)