Uni-Finanzen als Bedingung für Schulreform?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

ÖVP-Minister Mahrer wirft der SPÖ vor, bei der Uni-Finanzierung auf der Bremse zu stehen. Die SPÖ will keinen Schnellschuss. Die Unis sehen wenige Chancen – aber einen Strohhalm.

Wien. Ist die Katze tot, ist sie lebendig? „Ich halte sie eher für tot“, sagt Rektorenchef Oliver Vitouch zur neuen Studienplatzfinanzierung, für die er zuvor das Gedankenexperiment des Physikers Erwin Schrödinger bemüht hatte. Konkret bedeutet das: Die Unis sehen wenig Chancen, dass die Uni-Finanzierung und das entsprechende Budget – Ex-Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner hatte insgesamt 1,35 Milliarden Euro zusätzlich in Aussicht gestellt – noch vor der vorgezogenen Wahl beschlossen werden.

Über die Studienplatzfinanzierung, bei der die Unis Geld pro Student bekommen und die auch mehr Geld und neue Beschränkungen bringen soll, wurde gestern jedenfalls innerhalb der Koalition gerungen. Das hat auch Auswirkungen auf die Bildungsreform. Aus der SPÖ war zu hören, dass die ÖVP den Beschluss des Schulautonomiepakets mit der Uni-Finanzierung junktimiert. Nachdem man das im Büro von Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) zuerst nicht bestätigen wollte, klang es später anders: Er sehe bei der Bildungsreform die SPÖ am Zug. „Jetzt stehen der Kanzler und die SPÖ auf der Bremse bei Studienplatzfinanzierung und Zugangsregelungen.“ Die ÖVP wolle eine große Lösung für die Bildung – vom Kindergarten bis zur Hochschule.

Die ÖVP drängt die SPÖ massiv zu einem Beschluss der Studienplatzfinanzierung noch vor der Wahl. ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling ist gegen eine Erhöhung des Uni-Budgets ohne die mit der Studienplatzfinanzierung verbundenen Maßnahmen. Mahrer fordert „staatspolitische Verantwortung“. Die SPÖ solle sich nicht „vor der Verantwortung weiterer Zugangsregelungen in Massenfächern drücken“. „Die Universitätsfinanzierung aufgrund politischen Taktierens vor der Wahl nicht umzusetzen, wäre in höchstem Maße unverantwortlich.“ Weitere vier Jahre Stillstand wären für die Unis und die Studenten fatal. Den Vorwurf der zu kurzen Vorbereitungszeit lässt er nicht gelten. Man sei mit der SPÖ seit Monaten wöchentlich in Kontakt und habe sie umfassend über alle Vorschläge informiert.

In der SPÖ, die sich gegen einen Schnellschussbeschluss wehrt, ist man über diese Aussage empört: Es habe die wöchentlichen Gespräche nicht gegeben und man sei nicht laufend informiert worden, heißt es aus dem Büro von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Laut Kanzler Christian Kern (SPÖ) hat der Koalitionspartner zur Studienplatzfinanzierung bislang nur eine „lose Blattsammlung“ vorgelegt, „wo an den entscheidenden Stellen Kreuzerl im Text vorkommen“. Man rede erst seit zwei Wochen über die Universitätsreform. „Das ist mit Sicherheit ein Zeitraum, wo am Ende nichts Seriöses herauskommen wird“, so Kern.

Weil bis Ende dieses Jahres laut Gesetz das Gesamtbudget für alle 21 Unis für die Jahre 2019-2021 fix sein muss, schlägt Kern ein schrittweises Vorgehen vor: Die Finanzierung müsse in Gesprächen mit der ÖVP rasch „unter Bedingungen“ für die Universitäten festgeschrieben werden. Die Details zum Uni-Zugang und der Dotierung der einzelnen Fächer sollten dann „im gebotenen Zeitraum gewissenhaft diskutiert“ werden. Den „Strohhalm“, den die Rektoren skizzierten, um den „maximal wahlkampfgeladenen Deadlock“ vielleicht noch zu brechen, wollte man in Kerns Büro nicht kommentieren. Vitouch hat vorgeschlagen, dass die Regierung das Budget mit einer Auslaufklausel beschließt, also: mit einem Zielkatalog und einem Stichtag, bis zu dem die Studienplatzfinanzierung beschlossen sein muss – sonst wird der Beschluss hinfällig. „Es wäre dann Aufgabe einer künftigen Regierung, die Studienplatzfinanzierung ohne den halsbrecherischen Zeitdruck umzusetzen“, so Vitouch.

„Politische Verantwortungslosigkeit“

Wenn nichts passiert, überlegen sich die Unis Maßnahmen. „Selbstverständlich werden wir uns mit den Mitteln, die wir haben und die wir teilweise auch erfinden werden, gegen politische Verantwortungslosigkeit zur Wehr setzen“, sagt Vitouch. Bei einem Rektorentreffen am Montag will er auch über seinen Vorstoß beraten, als Protestmaßnahme Studienfächer zuzusperren („Die Presse“ berichtete). „Aus meiner Sicht wäre das sinnvoll und geboten.“ Ein ÖVP-Junktim sieht er jedenfalls nicht als zweiten Strohhalm. „Die Gefahr, dass dann in beiden Bereichen nichts passiert, halte ich für nicht gering.“ 

Auf einen Blick

Bis Ende des Jahres muss klar sein, wie viel Geld die Universitäten insgesamt für die Jahre 2019 bis 2021 bekommen. Ex-Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat 1,35 Milliarden Euro in den Raum gestellt – 510 Millionen Euro davon seien für die neue Studienplatzfinanzierung.

Bei der neuen Finanzierung bekommen die Unis grob gesagt Geld pro Studienplatz – je nach Fach gibt es dabei mehr oder weniger Mittel. Die Studienplatzfinanzierung soll auch eine Verbesserung der Betreuungsrelationen bringen. Daher soll sie mit mehr Geld und neuen Schranken einher gehen.

Zugangsbeschränkungen wo erforderlich hat auch die SPÖ unter Kanzler Christian Kern im Update des Regierungsprogramms mit der ÖVP paktiert. Es dürfte im aktuellen Modell der Studienplatzfinanzierung drei Möglichkeiten dafür geben.

Österreichweit könnten Fächer laut den Rektoren beschränkt werden, wenn die Betreuungsrelationen 75 Prozent über den angestrebten liegen – etwa in Jus. Sind Fächer an einzelnen Unis überlaufen oder schnellt die Nachfrage nach oben, sind lokale Beschränkungen möglich. Zudem sollen Unis auch in unbeschränkten Fächern Selbsttests oder Motivationsschreiben verlangen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bildungsministerin Hammerschmid flankiert von Wissenschaftsminister Mahrer (links) und dem grünen Bildungssprecher Walser.
Schule

Schulreform mit „Licht und Schatten“

Im letzten Moment gab es bei der Bildungsreform doch noch eine Einigung. Die Grünen beklatschten einen „historischen Tag“. Die Neos sehen einen „Kniefall vor den Landesfürsten“.
Kommentar

Bitte kein Reförmchen mehr

Kleine Verbesserungen und große Versäumnisse.
MAHRER / HAMMERSCHMID / WALSER
Schule

Regierung einigt sich mit Grünen auf Bildungsreform

Den Durchbruch in den Verhandlungen brachte die Einigung auf ein System von doppelten Mehrheiten bei den umstrittenen Modellregionen für die Gesamtschule.
Schule

Chronologie: Viele "Einigungen" bis zur Einigung

Eine Reform der Schulverwaltung und der Zuständigkeiten für die Lehrer wurde immer wieder angekündigt.
Schule

„Spielchen“ mit der Gesamtschule

Die Bildungsreform wurde erneut vertagt. Die Grünen verweigern der Regierung die Zustimmung zum Paket. Diese will ihren Vorschlag präzisieren, aber nicht wesentlich verändern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.