Audimax der Universität als Männerasylheim

(c) APA (Herbert Neubauer)
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Nach dem Polizeieinsatz verhärten sich bei der Audimax-Besetzung die Fronten: Teilzeitbesetzung nicht sicher. Trotz aller Aufregung: Auch über Weihnachten soll die Besetzung fortgesetzt werden.

Wien. „Juhu, da geht's raus.“ Ein paar Verschlafene recken sich Donnerstagmittag auf den Bänken im besetzten Audimax der Uni Wien. Eine Volksschulklasse ist zu Besuch. Eines der Kinder hat die Tür zum Seitenausgang entdeckt. Nachdem die lärmende Gruppe das Audimax verlassen hat, herrscht wieder Ruhe. Und Ratlosigkeit.

Die letzte Nacht war lang und hat die Köpfe rauchen lassen. Der für gestern, Donnerstag, angekündigte Forderungskatalog ist ausgeblieben. Zentrales Thema war eine Teilzeitbesetzung: Das Audimax soll für Lehrveranstaltungen freigegeben werden, die Besetzung bleibt aber bestehen. Doch in der Nacht auf Donnerstag überschlugen sich die Ereignisse. Nachdem am Mittwoch eine Besetzung von weiteren Uni-Räumen mit einem Polizeieinsatz beendet wurde, verhärteten sich die Fronten. Rund 300 erzürnte Studenten fanden sich zu einer Spontandemonstration am Ring ein. Dabei unternahm eine Handvoll Studenten den (erfolglosen) Versuch, in das Parlament einzudringen. Ein Student wurde verhaftet. „Eure Kinder werden so wie wir“, riefen die Demonstranten und sorgten für schallendes Gelächter in den Reihen der Exekutive. Im Audimax sicherte der Künstler André Heller derweilen den Studenten seine Unterstützung zu. Das anschließende Plenum stand ganz im Zeichen der Geschehnisse des Tages – es kam jedoch zu keinen Ergebnissen.

„Wir befinden uns noch in einem Diskussionsprozess“, sagt Alexander, einer der Studenten, nach durchzechter Nacht. Ein Besetzer putzt sich wenige Meter weiter seine Zähne, ein anderer schläft auf einer Matratze. Eine neue Arbeitsgruppe hat sich das Ziel gesetzt, über das Wochenende die Forderungen zu überarbeiten und am Montag zu präsentieren. Ob die Idee einer Teilzeitbesetzung noch Gültigkeit hat, bleibt unbeantwortet. Denn die Ereignisse überforderten auch die Pressesprecher der Studenten: Es werde „personelle Veränderungen“ geben, heißt es im Audimax.

Weihnachten an der Uni

Trotz aller Aufregung: Auch über Weihnachten soll die Besetzung fortgesetzt werden. „Einige von uns identifizieren sich so sehr mit der Besetzung, dass sie hier bleiben werden“, so Alexander. Am 24.Dezember ist eine Weihnachtsfeier geplant: „Es kommen sicher 200 Studenten.“ Auch eine Silvesterparty soll steigen sowie eine Weihnachtsfeier für die Obdachlosen am vierten Adventsonntag. Die sitzen indessen in den hinteren Reihen im verschlafenen Audimax und spielen Schach. Es riecht süßlich nach Marihuana. Ein Student sitzt auf der Bühne und starrt vor sich hin. „Die Obdachlosen sind uns wichtig“, sagt Alexander. Eine eigene „Arbeitsgruppe Obdachlose“ kümmere sich um deren Belangen. „Sie beteiligen sich an unseren Protesten und helfen uns, etwa in der Volxsküche.“ Mit deren Einzug ins Audimax haben sich die Studenten aber umstrukturieren müssen. Arbeitsgruppenbesprechungen finden in anderen Räumen statt: „Mit den Obdachlosen ist das Audimax kein Arbeitsraum und keine attraktive Partyzone mehr“, so Alexander.

Unterdessen hat das Rektorat verkündet, mit der ÖH verhandeln zu wollen. Die Besetzer „wissen selbst nicht, was sie wollen“, heißt es aus dem Rektorat. Die ÖH will sich auf Gespräche einlassen, sofern „das Plenum es will“. Beobachter raten Rektor Georg Winckler, kompromissbereit zu sein – sonst könnten die wenigen Radikalen unter den Studenten wieder die Oberhand gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2009)

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