Uni-Besetzung: „Die Rektoren sind zu schwach“

(c) Michaela Bruckberger
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Der grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald fordert Kompromissbereitschaft – auch von den Studenten.

Wien. Eine erste Einigung war bereits zum Greifen nahe – allein ein Polizeieinsatz hat die Annäherung zwischen Rektor und Studenten in der seit 61Tagen andauernden Besetzung des Audimax der Universität Wien zunichtegemacht. Zum ungünstigsten Zeitpunkt, wie der grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald im Gespräch mit der „Presse“ sagt. Er drängt beide Seiten zu einem Kompromiss – und sieht vor allem die Uni-Leitung gefordert: „Der Rektor wäre gut beraten, positive Signale zu senden.“

Denn: Je geringer die Erfolge der verhandlungsbereiten Besetzer bei den Gesprächen sind, desto mehr stärke das „jene, die radikale Töne anschlagen und gar nicht zu Lösungen bereit sind“. Eine gütliche Einigung sei dann kaum noch möglich. Generell findet es Grünewald, der sich bereits nach wenigen Tagen auf die Seite der Besetzer geschlagen hat, aber positiv, dass die Rektoren eine Konfrontation vermieden: Schließlich wüssten auch sie, „dass der Druck, den die Studenten aufbauen, ihnen in den Verhandlungen mit dem Wissenschaftsministerium hilft“.

In vielen Punkten – bei der Forderung nach einer Erhöhung des Uni-Budgets oder nach einer Verbesserung der Betreuungsverhältnisse – bestehe zwischen Rektoren und Besetzern ja durchaus Gleichklang. Warum es bislang dennoch kaum zu Reformen gekommen ist? „Die Rektoren sind zu schwach, um sich gegenüber dem Ministerium zu behaupten.“

Kritik übt er dabei vor allem an Ressortchef Johannes Hahn (ÖVP), der bald als EU-Kommissar nach Brüssel geht („Hahn ist körperlich manchmal in Wien, geistig nicht mehr.“) und seinen Vorgängern im Amt: „Das Ministerium zeigt imperiale Züge.“ Nicht selten würden die Unis regelrecht erpresst. Rektoren, die Kritik übten, sei mit finanziellen Einbußen gedroht worden, sagt Grünewald.

ÖVP-Dialog ist „Hinhaltetaktik“

Im von Hahn ins Leben gerufenen Hochschuldialog, der bis Juni 2010 tagt, ortet Grünewald „eine Hinhaltetaktik“. Dieser sei zwar „ein Schritt in die richtige Richtung“ – ein echtes Bekenntnis des Ministeriums zu den Ergebnissen, die dort erarbeitet werden, fehle aber. „Wir bekommen auffallend oft zu hören, dass alles, was hier in langen Sitzungen erarbeitet wird, nur Empfehlungscharakter habe.“ Was Grünewald erwartet? Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll solle signalisieren, dass er echtes Interesse an der Beseitigung der Defizite im Uni-Systeme habe. „Er ist ja sonst auch nicht auf den Mund gefallen.“ Auch wer neuer Wissenschaftsminister wird, solle die ÖVP endlich sagen. Bislang weiß niemand – auch nicht die Beamten im Ministerium –, ob Hahns Nachfolger überhaupt zu den Vorschläge der Arbeitsgruppen steht.

Um bei der Audimax-Besetzung zu konstruktiven Lösungen zu finden, appelliert Grünewald auch an die Studenten: „Den Druck aufrecht zu erhalten ist zwar richtig. Aber auch sie müssen sich ein paar Meter bewegen und Forderungen überarbeiten, die der Rektor einfach nicht erfüllen kann.“ Etwa jene nach Duschen für Obdachlose in der Uni: Es sei zwar schön, dass die Studenten nicht nur an sich denken, so Grünewald. Bei der Obdachlosenproblematik seien dennoch eher die Stadt Wien und die Republik in der Pflicht.

Auch gegen die dauerhafte Besetzung des Audimax spricht sich Grünewald aus: Die Uni sollen den Studenten Ersatzhörsäle zur Verfügung stellen und die Nutzung des Audimax – etwa für Plenumssitzungen – weiter zusichern.

In anderen Punkten schließt sich Grünewald der Kritik der Studenten an – etwa was die Umstellung der Studien auf das Bachelor-Master-System betrifft. Diese sei von der EU nicht verpflichtend vorgeschrieben. „Die Unis sollten selbst entscheiden, in welchen Studienrichtungen sie sinnvoll ist.“ Auch dürfe der Master nicht beschränkt und der Bachelor damit zur Regelausbildung werden: „Das würde die Unis in ihren Grundfesten erschüttern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2009)

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