Uni-Besetzung: Das Ende des Audimaxismus

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61 Tage lang ließen die Studenten ihrem Frust über die Uni-Politik freien Lauf. Zuletzt verkam der Protest zur Farce. Jetzt ist das Symbol des Widerstands, das Audimax, geräumt.

Es ist ein unrühmliches Ende für den anfangs schillernden Protest, der seit 22.Oktober 61 Tage lang die heimische Innenpolitik beschäftigte: Die Besetzung des Audimax der Uni Wien ist Geschichte. Beendet am Montag durch einen unspektakulären Polizeieinsatz in den frühen Morgenstunden – und ohne jede Gegenwehr der ermüdeten Studenten.

Aus dem Aufstand, der zu Beginn selbst Kritikern zumindest Respekt abnötigte, war längst jegliche Kraft gewichen. Nur noch knapp 15 Studenten hielten zuletzt die Stellung – „unterstützt“ von 80 Obdachlosen, die im Hörsaal eine vorübergehende Bleibe fanden. Angesichts des Polizeiaufgebots packten sie am Montag ihre Habseligkeiten und machten sich durch die Kälte Richtung U-Bahn-Station davon. Zurück bleibt ein leeres Audimax.

Nur einige wenige Transparente, die den „Widerstand gegen Bildungsabbau“ beschwören, hängen noch. Dazwischen leere Wodkaflaschen und Bierdosen, einige Taschen mit Kleidung. Auf dem Gang arbeitet das Reinigungspersonal an der Beseitigung der Verwüstung, die Polizei hat die Spurensicherung rasch abgeschlossen.

Nur wenig erinnert noch an den 22.Oktober, als mehr als 2000 aktionistische Studenten den Saal in eine Partyzone des politischen Widerstands verwandelt und ihrem Ärger über die Uni-Politik der Regierung und das Gesellschaftssystem Luft gemacht haben. Die Stimmung damals war aufgeheizt, Sprechchöre und Kampfparolen rissen sogar Skeptiker mit. Bands sagten ihr Kommen an, Künstler und Wissenschaftler wurden zum Dialog geladen. In einer Volksküche wurden alle gratis verköstigt. Der Aufstand war – wie alle beteuerten – spontan entstanden, aus einer Demonstration, die ihren Ausgang an der Wiener Akademie der bildenden Künste nahm.

Charmante Basisdemokratie

Es war eine völlig neue, unerwartete Form des Protests. Dezentral via Internetplattformen und SMS organisiert – und irgendwie charmant in den basisdemokratischen Ansprüchen. Ansprechpartner fanden sich keine, und wenn doch, so wollten sie anonym bleiben. Als „einer von vielen“ eines ständig tagenden Plenums, in dem geschlechtergerechte Rednerlisten erstellt wurden, das keine konkreten Forderungen stellen und schon gar keine Verantwortlichen nominieren konnte.

Die gewählte Vertretung der Studenten, die ÖH, war bestenfalls Zuseherin. Rektor, Politik und Medien drohten an der Unübersichtlichkeit zu verzweifeln. In ihren besten Zeiten brachten die Studenten, die so oft als zu unpolitisch verrufen waren, bis zu 20.000 Demonstranten auf die Straße. Ihr Ziel, die lange unterdrückte Diskussion über Missstände im österreichischen Bildungssystem anzustoßen, war erreicht. Der Protest weitete sich auf die anderen Uni-Städte und sogar ins Ausland aus.

Und doch geriet der Bewegung ihre anfängliche Stärke bald zum Nachteil. In 80 inhomogenen Arbeitsgruppen diskutierte man täglich über alles und nichts, politisch radikale Gruppen mischten sich unter die Erstsemestrigen. Und während Letztere über überfüllte Hörsäle, Zugangsbeschränkungen und Bachelorstudium schimpften, träumten die anderen von der sozialistischen Weltrevolution.

Kaum konstruktive Kräfte

Als nach wenigen Wochen der Druck von außen größer und die innere Organisation geringer wurde, offenbarten sich erste Schwächen. Viele waren des Demonstrierens müde. Kritik an der Blockade kam nun auch aus der Studentenschaft. Und als Rektor und Politik – die den Protest anfangs aussitzen wollten – sehr spät Gesprächsbereitschaft signalisierten, waren unter den Besetzern kaum noch konstruktive Kräfte vorhanden. Wie man mit dem Angebot des Wissenschaftsministers, den Unis 34 Millionen Euro als Soforthilfe zur Verfügung zu stellen, umgehen sollte, wusste man nicht. Auch der geforderte Besuch des Rektors im Audimax verkam zur Farce. Dass die Uni die Studienpläne überarbeiten wird, war den meisten zu wenig. An Lösungen schien keiner mehr interessiert. Auch im Hochschuldialog und in anderen Gesprächsforen blieben die Besetzer leise. Das Plenum hatte schließlich niemanden legitimiert, verbindliche Zusagen zu machen.

Selbst als die ÖVP die Räumung forderte und der Rektor Studenten mit verklebten Mündern aus Büroräumen entfernen ließ, flammte der Widerstand nur schwach auf. Zuletzt bestand die Blockade bloß noch auf dem Papier. Und als gestern das Audimax – Sinnbild und Symbol der Proteste – aufgegeben werden musste, fanden sich nicht mehr als zehn Unterstützer, die in der Früh zur Uni eilten. Die Lage sei aussichtslos, hieß es.

Ein treffendes Statement. Denn die Luft ist draußen – das wissen auch jene, die die Besetzung in kleineren Hörsälen und an anderen Unis noch am Köcheln halten. Der Traum von der studentischen Revolution ist nach zwei Monaten der Realität gewichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2009)

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