Fernstudien: Das Ende des Distanzproblems

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Ein altes Konzept gewinnt neue Zielgruppen und neue Anhänger. Denn Entfernung und Nähe sind in der Welt der Studierenden dank neuer Kommunikationstechniken keine relevanten Kategorien mehr.

Place matters – das war einmal. Die relevanten Orte sind die, an denen man sich gerade befindet. Doch egal, wo man ist – der Rest der Welt ist nicht weit weg. Auch die internationalen Universitäten werden zu virtuellen Orten, an denen sich die Studierenden versammeln, unabhängig davon, wo sie zu Hause sind. Das Konzept Fernuniversität oder „Distance Learning“ ist fast schon so alt wie der Farbfernseher. Doch seine Stärken kann das Modell erst jetzt ausspielen. Denn heute sind die technischen Möglichkeiten so weit gediehen, dass viele Studierende gar nicht mehr anders lernen wollen. Und manche auch gar nicht anders können, weil sie ihr Beruf zeitlich und örtlich bindet.

„Das Fernstudium ist ein Werkzeug, um neue Zielgruppen für die Universitäten zu erschließen“, sagt Franz Palank, Leiter des Zentrums für Fernstudien (ZF), das in Österreich an sieben Standorten vertreten ist. Palank hat den Erfolgsweg des Modells Fernstudium schon verfolgt, als es den Briten – auch mit Unterstützung des Mediums Fernsehen – allmählich gelang, das Prinzip des „Distance Learning“ zu etablieren. Heute sind Kommunikationsinstrumente wie Twitter, Facebook und Konsorten kaum mehr aus dem Lernalltag wegzudenken. „Diese Werkzeuge entsprechen dem Lebensstil der heutigen Studierenden“, meint Tristan Sage von der Repräsentation der Open University Business School in Österreich, „sie werden heutzutage etwa an englischen Universitäten schon längst eingesetzt“.

Selbst die traditionellen Vollzeitprogramme und Universitäten lagern vermehrt Unterrichtskomponenten aus den realen Hörsälen in virtuelle Räume aus. Ein Trend, der allein schon praktische Gründe hat, wie Sage meint: „Schlicht, um die steigenden Zahlen der Studierenden bewältigen zu können.“ „Distance Learning“, zumindest in Teilbereichen des Studienalltags, entwickle sich gerade von der Ausnahme zur Regel. „In England vollzieht sich diese Fusion – die Mischung der Angebote – bereits deutlich.“

Leichte Imagedefizite

Das Fernstudium auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit stolpert noch manchmal über eine Hürde: sein Image. „Ein paar Vorurteile gegen Fernuniversitäten müssen wir noch abbauen“, gesteht Palank. In England hätte man da weniger Probleme, die Zahlen beweisen es: Mit 250.000 Studierenden ist die Open University längst zur Massenuniversität gewachsen. In Österreich hingegen ist das Fernstudium noch ein Nischenprogramm, obwohl bereits über 2300 an der Fernuniversität Hagen, dem Partner des Zentrums für Fernstudien, inskribiert sind, wie Palank berichtet. Im Sinken ist hingegen die Zahl jener Personalchefs, die den Fernstudien nicht allzu viel Qualität zutrauen. „In größeren Betrieben weiß man sie längst zu schätzen“, ist sich Palank sicher. In kleineren Betrieben habe man hingegen noch leichte Akzeptanzprobleme. „Es gibt keine anerkannten Standards, wie man universitäre Qualität messen kann“, so Palank. Schwierig also, im dichten Wald der internationalen Fernstudienangebote Gut von weniger Gut zu unterscheiden. Manche Skeptiker könne aber das rigide Prüfungssystem überzeugen, „das die Fernuniversitäten von Anfang an verfolgten“. Nach Hagen, an den Rand des Ruhrgebiets, muss keiner der Fernstudenten aus Österreich fahren, um Prüfungen abzulegen. Die Universität kommt nach Österreich, die Professoren in die Studienzentren. Dort werden zum Teil auch Lehrveranstaltungen abgehalten, und weiters Beratung und Informationen über das Studienangebot in Hagen und an anderen europäischen Fernuniversitäten angeboten.

„Nearness“ statt „Distance“

„Distance“ sei im Prinzip das falsche Wort, um ein Fernstudium zu beschreiben, meint Sage. Deshalb, berichtet er, hätte der Dekan der Open University Business School auch das Kunstwort „Nearness“ geschaffen. Schließlich sei der Kontakt zwischen Studierenden und Professor näher, häufiger und intensiver als in vielen konventionellen Vollzeitvarianten. Im Präsenzstudium trennen die Studierenden von den Lehrenden nicht nur ein paar Tischreihen, sondern auch Hemmschwellen. Der Professor zum Anfassen – das bleibt im Studienalltag meist Theorie. Im Fernstudium hätte der Kontakt eine andere Qualität, ist auch Palank überzeugt. Er selbst nützt etwa auch Facebook, um mit Studierenden Kontakt zu pflegen und zu halten. „Nearness“ bezieht sich aber auch auf die Nähe zur Sache, auf den Praxisbezug, zumal in den Fern-MBA-Studien der Open University Business School. Die vermittelten Inhalte könnten im Arbeitsumfeld direkt angewandt und „face-to-face“ erprobt werden, meint Sage. Ausschließlich könnten viele Studien so und so nicht funktionieren. „Ein Face-to-Face-Anteil muss immer gegeben sein. Beim MBA der Open University haben wir mindestens 50 Tage, an denen die Teilnehmer zusammenkommen – informell oder auch für Seminare“, berichtet Sage.

Die üblichen Qualitätskriterien gelten auch für MBA, die als Fernstudium absolviert werden. Jedoch sind die weit verbreiteten Rankings nicht repräsentativ, „da sie vor allem die Vollzeitvarianten berücksichtigen“, so Sage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2010)

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