Med-Unis: Bangen um Ausländerquote

(c) Michaela Bruckberger
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Der EuGH dürfte die Mediziner-quote kippen. Die Rektoren schlagen Alarm. Ohne Quotenregelung wären im Vorjahr nur 31 Prozent der 400 Studienplätze an Inländer gegangen.

WIEN. Das Ende der Ausländerquoten im Medizinstudium ist so gut wie besiegelt: Spätestens Anfang März dürfte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil die Quotenregelung an belgischen Unis für EU-rechtswidrig erklären. Und damit auch die österreichischen Bemühungen, die Quote im EU-Recht zu verankern, ad absurdum führen. Die Rektoren der betroffenen Med-Unis versetzt das in den Alarmzustand. Sie warnen im Gespräch mit der „Presse“ bereits vor einer „Katastrophe“.

Die Vorgeschichte ist komplex: Seit 2006 lebt Österreich im Medizinstudium mit einer Ausnahmeregelung, die den stetig wachsenden Zustrom deutscher Numerus-Clausus-Flüchtlinge bremsen soll. 75 Prozent der Studienplätze sind für Inländer reserviert, nur 20 Prozent stehen EU-Ausländern offen. Das Problem: Die Quote widerspreche der Gleichbehandlung, stellte die Kommission 2007 fest. Bis 2012 müsse die Quote fallen, sonst drohe ein Vertragsverletzungsverfahren.

Das EuGH-Urteil könnte diesen Zeitrahmen nun ins Wanken bringen. Entscheidet das Gericht, dass die 30-Prozent-Quote für Ausländer in belgischen Gesundheitsstudien diskriminierend ist, hätten jene Deutschen, die in Österreich keinen Platz bekommen, vor Gericht leichtes Spiel: Sollte ein Student zum VfGH gehen, müsste dieser entweder dem EuGH-Urteil folgend dem Studenten recht geben oder aber den Fall an den EuGH weiterleiten, der wohl ebenfalls gegen Österreich entscheiden würde, sagt der Innsbrucker Europarechtsexperte Walter Obwexer.

Nur noch ein Drittel Österreicher

Die Med-Unis stehen damit mit dem Rücken zur Wand. „Wenn uns jetzt nichts einfällt, gibt es eine Katastrophe“, so Norbert Mutz, Vizerektor für Lehre an der Medizin-Uni Innsbruck, die vom deutschen Zustrom am stärksten betroffen ist. Zwar solle eine Uni immer „ein Schmelztopf der Nationen sein, in dem wir voneinander profitieren“, aber: Ohne Quotenregelung wären im Vorjahr nur 31 Prozent der 400 Studienplätze an Inländer gegangen. Ganz ähnlich sieht es bei der laufenden Voranmeldung für das Wintersemester 2010/11 aus. Insgesamt haben sich bereits 2024 Personen zum Aufnahmetest angemeldet – darunter 1200 Deutsche. „Wenn wir da kein Instrumentarium der Beschränkung haben, schauen wir blöd aus.“

Die Statistik scheint Mutz recht zu geben: Von 2000 bis 2008 hat sich die Zahl der Deutschen an allen heimischen Unis verdreifacht, derzeit stellen sie 7,3 Prozent aller Hochschüler. Der größte Ansturm steht noch bevor: Ab 2011 kommt es in Deutschland durch die Verkürzung der Gymnasialzeit zu doppelten Abiturientenjahrgängen.

Der Ausweg? Mutz fordert auch in Österreich die Einführung des Numerus clausus. Dieser sei zwar „ein schlechtes Instrument – aber das einzig passende, das uns auf die Schnelle einfällt“. An den Med-Unis in Wien und Graz hofft man unterdessen auf eine Verlängerung der Quotenregelung. Diese sei „der einzige rechtlich gangbare Weg, die Zahl der einheimischen Studenten hoch zu halten“, so Gilbert Reibnegger, Vizerektor in Graz.

Auch die Rückkehr zum „Herkunftslandprinzip“ (siehe Factbox),die seit einigen Wochen politisch diskutiert wird, hält er für sinnvoll. Ein Verhandlungserfolg sei hier jedoch „noch unrealistischer als bei der Quote“. Fallen alle Beschränkungen, drohe ein Ärztemangel: In Deutschland gebe es „schon jetzt Bemühungen, unsere Absolventen abzuwerben.“

An der Med-Uni Wien ist man aus einem anderen Grund mit der Quote zufrieden: „Sie gibt uns die Möglichkeit, die Platzzahl zu beschränken“, sagt Rektor Wolfgang Schütz. Falle die Zugangsregelung weg, „können wir die hohe Qualität nicht halten“, die die Uni für viele Studierende (auch aus dem Ausland) so attraktiv mache.

Eine politische Lösung zeichnet sich derzeit übrigens noch nicht ab. Man wolle nun „Gespräche auf EU-Ebene führen“, hieß es zuletzt im Wissenschaftsministerium.

DIE ÖSTERREICHISCHEN KONZEPTE

Das Herkunftslandprinzip sieht vor, dass nur all jene Ausländer in Österreich studieren dürfen, die auch in ihrem Herkunftsland einen garantierten Studienplatz haben. Das Prinzip galt bis 2005 für alle Studienrichtungen. Die EU hob es als gleichheitswidrig auf.

Quotenregelung fortführen. Die derzeit geltende Quotenregelung reserviert 75 Prozent der Medizinplätze für Inländer. 20 Prozent sind für EU-Ausländer, fünf Prozent für Nicht-EU-Bürger. Das sei gleichheitswidrig, sagt die EU und droht mit einer Klage. Um die Quotenregelung beizubehalten, müsste Österreich die anderen Mitgliedstaaten von deren Verankerung im EU-Recht überzeugen.

Ausgleichszahlungen. Andere Länder – allen voran Deutschland – sollen für ihre Studenten Teile der Studienplatzkosten übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2010)

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