Akademiker auf dem Arbeitsmarkt: Eine prekäre Sache

Geisteswissenschaftler haben Probleme Arbeitsmarkt
Geisteswissenschaftler haben Probleme Arbeitsmarkt(c) AP (Frank Augstein)
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75.000 Absolventen von Universitäten verdienen ihr Geld in sogenannten prekären Beschäftigungsverhältnissen. Es gibt zudem viermal mehr Jobangebote für Fachhochschüler als für Uni-Absolventen.

Wien (som). Jung, gut ausgebildet und unsicher beschäftigt – heutzutage ist das kein Einzelschicksal mehr. Laut einer aktuellen Studie bilden prekär beschäftigte Universitätsabgänger heute die drittgrößte Gruppe unter den Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss.

In Zahlen: 75.000 Absolventen erbringen „wissenschaftliche und technische Dienstleistungen“ als Freiberufler, so die Auswertung von Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW), einer Einrichtung der Wirtschaftskammer. Es ist ein weites Feld, das Projektarbeit im Wissenschafts- und Kulturbereich, Trainer und Künstler mit einschließt.

Schneeberger betrachtet im Gespräch mit der „Presse“ diesen Trend mit Sorge: „Manche in diesem Bereich verdienen sehr gut und wollen Freiberufler bleiben. Doch der Großteil arbeitet als Prekariat.“ Und bleibt mitunter in der ganzen Berufslaufbahn prekär beschäftigt: „Für Teile ist das Freiberuflerdasein eine Durchgangsphase; andere bleiben Freiberufler, weil sie einfach keine Fixanstellung bekommen.“

Nur zwei Branchen beschäftigen eine noch höhere Anzahl von Uni-Absolventen: 81.700 Akademiker arbeiten im Gesundheits- und Sozialwesen, 139.300 im Feld Erziehung und Unterricht.

Doch kein Akademikermangel?

Auch auf zwei weitere Trends macht die Studie aufmerksam: Immer weniger Akademiker kommen im öffentlichen Dienst unter. Dort ist ihr Anteil seit 1991 von 50 auf 43 Prozent gefallen. „Nach der Universität in den A-Dienst, das ist vorbei“, bringt es Schneeberger auf den Punkt. Und: Immer weniger Akademiker finden Beschäftigungen, die ihrer Ausbildung entsprechen: Seit 1991 ist der Anteil von 83 auf 73 Prozent gesunken.

Der Studienautor erklärt die heutige, wenig rosige Arbeitsmarktsituation mit der „Explosion im Hochschulsektor“: Im Jahr 1991 zählte man 198.000 Beschäftigte mit Hochschulabschluss. Heute sind es 450.000 – ihre Zahl hat sich also mehr als verdoppelt.

Der oft beklagte Akademikermangel – für Schneeberger ein Missverständnis. „Grundsätzlich haben wir eine ausreichende Akademikerversorgung; Mangel gibt es nur in den Bereichen Technik und Naturwissenschaft.“ Schützenhilfe gibt dem IBW-Mitarbeiter seine Auswertung, die Online-Jobangebote (die wichtigste Quelle für Akademiker) in Verhältnis zu den Graduierten setzt. Während jeder Fachhochschulabgänger aus 1,29 Online-Inseraten wählen kann, sind es für Universitätsabgänger nur 0,28. Besser sieht es im internen Uni-Vergleich für die Wirtschaftsstudien aus: Pro Absolvent gibt es immerhin 0,57 Inserate. Die Geistes- und Kulturwissenschaft steht am schlechtesten da: Ein Graduierter trifft auf 0,02 Online-Stellen.

Zahlen, die für Michael Landertshammer, Leiter der Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, einen klaren Auftrag bedeuten: Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren sollen den Akademikerbedarf regulieren, Berufsorientierung in der Oberstufe müsse künftig verbindlich sein. Denn: „Die Entscheidung für das Studium muss bewusst getroffen werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2010)

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