Familienbeihilfe: Österreich trotz Kürzung im Spitzenfeld

Familienbeihilfe oesterreich trotz Kuerzung
Familienbeihilfe oesterreich trotz Kuerzung(c) Erwin Wodicka
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In kaum einem anderen Land werden die Familien so lange finanziell unterstützt wie in Österreich. Das besagen Zahlen des Wirtschaftsministeriums. Die Studenten gehen dennoch gegen die Regierung auf die Straße.

Wien. Knapp 40 Euro im Monat für Lebensmittel, Kleidung und für Lehrmittel. Mehr bleibt dem 23-jährigen Medizinstudenten Stephan Szüts nach seinem nächsten Geburtstag nicht, falls die Bundesregierung ab kommendem Jahr die Bezugsdauer der Familienbeihilfe kürzt. Der Niederösterreicher studiert im neunten Semester in Mindeststudienzeit in Wien und möchte im zwölften Semester fertig werden.

Muss er künftig auf die rund 150 Euro Familienbeihilfe im Monat verzichten, droht der Traum vom Abschluss zu zerplatzen. Dieser wäre schlicht nicht mehr leistbar, sagt Szüts: „Ich kann laut Studienplan gar nicht schneller studieren.“ Mit seinem Nebenjob als Taxifahrer (er verdient zwischen 200 und 350 Euro im Monat) und der Studienbeihilfe von 100 Euro im Monat kann Szüts gerade einmal die Fixkosten bezahlen. Der 23-Jährige ist kein Einzelfall. Bis zu 35.000 Menschen könnten von der Kürzung betroffen sein. Die Empörung im Uni-Sektor ist groß: Die Rektoren kritisieren den Vorschlag, die Studenten haben Widerstand angekündigt.

Kaum Unterstützung in Frankreich, Italien

Wogegen sich die Proteste genau richten, ist nicht ganz klar: Denn mit Details hat sich die Koalition bei der Klausur gleich gar nicht aufgehalten. Wem auch künftig unter welchen Bedingungen eine Verlängerung der Bezugsdauer zusteht, sei nicht besprochen worden, heißt es aus Regierungskreisen.

Jetzt sei man auf der Suche nach Lösungen. Wahrscheinlich ist, dass männliche Studenten ihren Präsenz- oder Zivildienst „anrechnen“ lassen können – und weiter bis zum vollendeten 25. Lebensjahr Familienbeihilfe erhalten. Der Mutterschutz soll den Bezugszeitraum ebenfalls verlängern. Auch die Mitversicherung bei den Eltern bis zum 27. Lebensjahr dürfte unberührt bleiben. Das ASVG stellt schon jetzt nicht ausschließlich auf den Bezug der Familienbeihilfe ab, sondern erlaubt eine Mitversicherung auch, wenn der Betroffene „ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt“.

Im europaweiten Vergleich steigen die heimischen Jugendlichen jedenfalls gut aus. Die Systeme unterscheiden sich teils stark, eines aber steht fest: In kaum einem anderen Land wird die Familienbeihilfe ähnlich lange ausbezahlt wie in Österreich, das besagen Zahlen des Wirtschaftsministeriums. In Frankreich erhalten Familien für das erste Kind keine Unterstützung, erst ab dem zweiten Kind gibt es insgesamt rund 120Euro im Monat. In Italien ist die Beihilfe zudem an das Familieneinkommen gekoppelt. In Spanien gibt es die Unterstützung nur, wenn die Einkommensgrenze von 11.260 Euro im Jahr nicht überschritten wird. Ähnlich lange Bezugsdauern wie in Österreich gibt es in Deutschland, Belgien, Luxemburg, Slowenien, Portugal, der Schweiz sowie in Tschechien – dort etwa erhalten Familien aber maximal 27 Euro pro Kind und Monat. In Bulgarien sind es (bei niedrigeren Lebenshaltungskosten) sogar nur 18 Euro.

Demonstrationen in großen Uni-Städten

Eine breite Front an Kritikern will ungeachtet dessen heute, Donnerstag, gegen die Einschnitte mobilisieren. Für den Nachmittag werden tausende Studenten zu Demonstrationen in Wien, Linz, Graz und Salzburg erwartet. Auch auf politischer Ebene regt sich Widerstand: Nach den Grünen hat sich am Mittwoch das BZÖ gegen die Verkürzung gestellt. Man solle stattdessen Studiengebühren vor allem von Ausländern einfordern, so Generalsekretär Christian Ebner zur „Presse“. Bis zu fünf Prozent der Kosten eines Uni-Platzes (das seien 500 Euro im Semester) sollen privat finanziert werden. Studenten aus Nicht-EU-Ländern sollen die gesamten Kosten (rund 10.000 Euro pro Jahr) selbst tragen. Zudem könne eine „Immatrikulationsgebühr“ von 5000 Euro den Zustrom aus dem Ausland eindämmen. Bezahlen müsse jeder. Wer eine österreichische Matura vorweisen kann, bekomme den Betrag jedoch refundiert. Insgesamt könne man so jährlich 330 Millionen Euro lukrieren.

Die Unis sollten nur noch einen Fixbetrag pro Student erhalten. Die Hochschüler würden zu „Kunden“. Die Unis müssten serviceorientiert – und nicht wie bisher – bürokratieorientiert arbeiten. Als Negativbeispiel nennt Ebner die TU Wien, an der sich Studenten über komplizierte Anmeldesysteme, desolate Infrastruktur und Chaos im Studienbetrieb beklagt hätten. „Die Verwaltung an den Unis läuft aus dem Ruder. Wenn schon das Service mangelhaft ist, wie wird dann wohl erst das Back-Office funktionieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2010)

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