Science Slam: Wissenschaft als Show

Science Slam Wissenschaft Show
Science Slam Wissenschaft Show(c) REUTERS (KC ALFRED)
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Beim ersten Wiener „Science Slam“ war Powerpoint verboten, Kreativität erwünscht. Sechs Jungwissenschaftler stiegen in den Ring, den Sieger bestimmte das Publikum. Ein Lokalaugenschein.

Wien/Beba. „Schließen Sie Ihre Augen. Wir unternehmen jetzt eine Reise in unser Mobiltelefon. Wir gleiten durch die Hülle, und vor uns eröffnet sich eine seltsame, grüne Landschaft. Wir schweben weiter und entdecken einen Tausendfüßler mit unzähligen metallischen Beinchen...“ Sebastian Watzinger steht auf einer Bühne im Kellergewölbe des Café Aera in Wien. Die Luft ist alkoholgeschwängert, die Tische sind bis auf den letzten Platz besetzt. Mit seiner gedanklichen Reise führt der Elektrotechniker das Publikum hin zu seinem Forschungsgebiet, der Mikroelektronik.

Klingt ein wenig nach Wissenschaft – und das ist auch gut so. Beim ersten Wiener „Science Slam“ vergangene Woche sollten junge Forscher ihre Themen verständlich und unterhaltsam erklären. Das Konzept lehnt sich an den „Poetry Slam“ an, bei dem Dichter ihre Werke präsentieren, und ist simpel: ein Mikrofon, ein Akteur und höchstens acht Minuten Zeit. Powerpoint ist verboten, Kreativität hingegen ausdrücklich erwünscht. Sechs Kandidaten steigen in den Ring, das Publikum bestimmt den Sieger.

Experiment mit Hüftschwung

Dafür legten sich die Jungwissenschaftler mächtig ins Zeug: So schob der Politologe Roman Pfefferle zehn mit falschen Bärten beklebte Studenten auf der Bühne herum, um die Entnazifizierung der Professorenschaft an der Uni Wien zu veranschaulichen. Die Physikerin Tamara Pinterich erzeugte mittels Feuerzeug und Tretpumpe in einer Plastikflasche Wolken, um damit ihr Messgerät für Aerosole zu erklären. Die Kardiologin Jolanta Siller-Matula verwandelte sich schließlich in das Herz des Publikums und verdeutlichte hüftschwingend verschiedene Herzerkrankungen.

„Für Wissenschaftler ist es frustrierend, wenn keiner ihre Arbeit versteht“, sagt der Physiker Bernhard Weingartner, der die Idee des „Science Slam“ aus Deutschland importiert hat. „Wir wollten die Leute motivieren, sich zu überlegen, wie sie ihr Thema vermitteln können.“ Das war auch für Elektrotechniker Watzinger das Spannende: „Das verständliche Erklären ist die höchste Disziplin“, sagt er. „Dabei findet man oft erst heraus, ob man die Sache wirklich verstanden hat.“

Keine Eintagsfliege

Nach sechs Präsentationen in dem überfüllten Saal schlägt die Stunde des Publikums. Die Temperatur steigt, als jeder Tisch versucht, sich auf ein Voting zu einigen. 20Minuten lang wird hitzig diskutiert: War die Präsentation zu trocken oder zu simpel? War sie verständlich und spannend? Gibt es Extrapunkte für besondere Kreativität? Am Ende räumt die Kardiologin Siller-Matula den Preis ab. „Wissenschaft muss Spaß machen“, sagt sie unter Jubel und Applaus.

„Lustig war es“, sagt ein Zuschauer. Einen Kritikpunkt hat er: „Zum Teil waren die Themen sehr einfach dargestellt. Viel Neues gelernt habe ich nicht.“ Initiator Weingartner will das beim nächsten Mal berücksichtigen. Der zweite Wiener „Science Slam“ ist für Mitte Jänner angesetzt. Wissenschaft als Show soll keine Eintagsfliege bleiben.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.scienceslam.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2010)

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