Gute Didaktiker für die Universität

Gute Didaktiker fuer Universitaet
Gute Didaktiker fuer Universitaet(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Lehre. Die Idee der Hochschuldidaktik hat im mitteleuropäischen Raum kaum Tradition. Erst seit Kurzem setzen immer mehr Unis bei Berufungen auf die Qualität der Lehre.

Es ist ein Thema, das neben großen Fragen wie Uni-Finanzierung oder Studierendenzahlen meist untergeht: Was passiert eigentlich im Hörsaal? Wie vermitteln Lehrende ihren Stoff, wie organisieren sie ihre Lehrveranstaltung? Die Idee der Hochschuldidaktik hat – besonders im mitteleuropäischen Raum – keine Tradition. Eine didaktische Ausbildung für Professoren hat es in der Geschichte der Universität nie gegeben; erst mit den Studentenrevolten der 1960er-Jahre geriet das Thema überhaupt ins Blickfeld. Mit dem Bologna-Ziel des studentenzentrierten Lernens haben didaktische Fragestellungen zuletzt wieder an Gewicht gewonnen.

Wirklich umgesetzt ist die Idee allerdings nach wie vor nicht, kritisiert ÖH-Chefin Sigrid Maurer. Es habe immer gute Lehrende gegeben, sagt sie. Doch viele Professoren lehrten seit Jahren so, wie sie selbst unterrichtet worden seien. Und das bedeutet Frontalvorlesung ohne jegliche Interaktivität oder Seminare, in denen ein Referat nach dem anderen abgespult wird.

„Viele machen ihren alten Stiefel weiter, genau wie früher“, sagt auch Rolf Schulmeister. Der Hamburger Pädagoge ist einer der Pioniere auf dem Gebiet der Hochschuldidaktik. Im Jahr 1971 hat er eines der ersten Didaktik-Zentren im deutschsprachigen Raum gegründet. Und auch nach 40 Jahren gibt es viel zu tun. „Es braucht einen Kurswechsel in den Köpfen der Lehrenden. Und einen Kurswechsel in den Köpfen der Fakultäten“, sagt er.

Mehr Stellenwert für Lehre

Markus Peschl bestätigt das. Der Innovationsforscher hat in der Vorwoche für seine Lehrveranstaltung „Philosophy of Science“ den „Bank Austria Preis für innovative Lehre“ erhalten. Schön, meint er. Allerdings würden kleine Initiativen wie diese nicht ausreichen. „Es wäre wichtig, der Lehre generell größeren Stellenwert einzuräumen.“ Im Großen und Ganzen, sagt Peschl, gebe es für gute Lehre keine Anerkennung – auch auf die Personalauswahl habe sie kaum Einfluss.

Tatsächlich war es in wissenschaftlichen Lebensläufen bisher meist völlig irrelevant, ob jemand gut lehrte oder nicht, sagt Schulmeister. Was zählte, war die Forschung, die Anzahl der Publikationen. „Man geht davon aus, dass jemand in der Lage ist, zu lehren, wenn er die fachliche Qualifikation hat“, klagt auch Claus Tieber, Vorsitzender der IG Lektoren. Er hat kürzlich ein Buch zum Thema veröffentlicht (siehe Faktenkasten). „Es ist ein Missverständnis, zu glauben, dass jemand gut unterrichten kann, nur weil er in seinem Fachbereich gut ist.“

Erst seit einigen Jahren zeichnet sich eine Trendwende ab: Immer mehr europäische Hochschulen setzen bei Berufungen von Professoren verstärkt auf Kriterien in der Lehre; in den USA ist es längst Standard, auch die Lehrfähigkeit der Bewerber zu testen. Für Wissenschafter bringt das ein Dilemma mit sich: Denn vorrangig sei nach wie vor die Forschungsorientierung, sagt Schulmeister. Nicht selten würden die Kriterien der Lehre bloß pro forma geprüft. Gerade für junge Leute stelle sich da die Frage: „Gebe ich für Kurse in Hochschuldidaktik meine Zeit her? Oder setze ich auf Forschung? Ich will mich doch erfolgreich bewerben.“ An der Uni Wien müssen neue Lehrende seit vergangenem Herbst verpflichtend ein zweitägiges Training absolvieren; bisher war jegliche didaktische Qualifikation freiwillig (siehe Faktenkasten). „Wir glauben, dass die Universität durchaus die Verpflichtung hat, qualitätsvolle Lehre zu bieten“, sagt Arthur Mettinger, Vizerektor für Lehre. „Dazu gehört auch, dass die Lehrenden in der Lage sind, die Inhalte möglichst effizient zu vermitteln.“

Von Podcast bis Millionenshow

Die Lehrveranstaltung, die Markus Peschl den Preis eingebracht hat, ist ein projektorientiertes Seminar, in dem es darum geht, Wissen zu generieren. Prädestiniert für eine innovative Gestaltung der Lehre, würde man sagen. Doch auch klassische Massenlehrveranstaltungen könnten anders aussehen. Man könnte Vorlesungen etwa als Podcast anbieten und stattdessen mehr Übungen abhalten. Ein Professor an der Universität Hamburg wiederum nutzt die Millionenshow-Technik und lässt seine Studenten alle zehn Minuten per „Clicker“ Multiple-Choice-Fragen beantworten – wie beim Publikumsjoker.

Lehrende müssten sich damit auseinandersetzen, welche Methoden zu ihren Inhalten passen, sagt Schulmeister. Und mit Lernprozessen: Denn viele würden erst langsam den Zusammenhang zwischen Lehren und Lernen erkennen.

Auf einen Blick

Seit Herbst des Vorjahres müssen neue Lehrende an der Uni Wien verpflichtend eine zweitägige Basisqualifikation zu Hochschul-didaktik absolvieren. Davor waren Kurse ausschließlich freiwillig.

Das Buch „Die Kunst der Lehre“ ist aus dem gleichnamigen fünfteiligen Lehrgang an der Uni Wien hervorgegangen. Es dokumentiert die Diskussionen einer Gruppe von Lehrenden. Herausgegeben von Johanna Muckenhuber, Thomas Schmidinger, Claus Tieber. LIT Verlag 2011, 19,90 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2011)

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