Das Gesetz regelt nicht präzise genug, wann Studienbeiträge zu bezahlen sind und wann nicht. Bis Februar hat die Regierung Zeit für eine neue Regelung.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kippt die Regelungen zu den Studienbeiträgen, mit denen die Gebühren im Jahr 2008 de facto abgeschafft wurde. Das Problem: Das nunmehr aufgehobene Gesetz regle nicht präzise genug, wann Studienbeiträge zu bezahlen sind und wann nicht, erklärte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Donnerstag.
Der Hintergrund: Laut dem Gesetz müssem Studenten nicht zahlen, solange "die Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als zwei Semester überschritten wird". Die für die Regelung herangezogenen Studienabschnitte seien allerdings ein "Auslaufmodell", sagte Holzinger.
Regelung für Bakk-Master unklar
Denn Studienabschnitte gibt es nur noch bei den Diplomstudien; die meisten Studien wurden bereits auf die Bologna-Struktur mit Bachelor und Master umgestellt, in der es keine solche Unterteilung gibt. Laut VfGH bleibt unklar, wie nun die Studienzeit, die für die Befreiung von Studienbeiträgen maßgeblich ist, zu bestimmen sei.
Daher habe man die gesetzlichen Bestimmungen über die Studienbeiträge sowie eine Verordnung des Wissenschaftsministeriums dazu als verfassungswidrig bzw. gesetzwidrig aufgehoben, so Holzinger. Eine Reparaturfrist wurde bis zum 29. Februar 2012 eingeräumt. Bis dahin müssen Studenten, die nicht innerhalb der vorgegebenen Frist studieren, weiterhin ihre Beiträge entrichten (die Entscheidung im Wortlaut)
Töchterle: Neue Regelung statt Flickwerk
Darüber wie eine solche Neuregelung aussehen soll, herrscht zwischen den Koalitionspartnern vorerst Uneinigkeit. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) kündigte an, sich für eine generelle Gebührenpflicht anstelle des derzeitigen "Flickwerks" einzusetzen, das in einer "Nacht- und Nebelaktion" zustande gekommen und daher zurecht aufgehoben worden sei.
Für ihn ist auch denkbar, dass die Unis die Höhe der Gebühren autonom festlegen können. Auch BZÖ, Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) sehen das Urteil als Anlass dafür, dass künftig wieder alle Studenten zahlen sollen. Gleichzeitig müsse das Stipendiensystem treffsicherer werden.
SPÖ: Kommt nicht in Frage
Für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas kommt eine generelle Wiedereinführung von Studienbeiträgen indes nicht infrage. Jene, die wirklich studieren wollen, dürften nicht durch finanzielle Hürden abgehalten werden. Nur in Ausnahmefällen dürfe es Gebühren geben.
Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht in dem Urteil unterdessen eine Chance, die Studiengebühren für alle abzuschaffen und so "mit den Altlasten der ÖVP-FPÖ-Koalition endgültig aufzuräumen". Auch Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) plädierten für eine generelle Abschaffung.
Rektoren warnen vor Wegfall der Gebühren
Die Universitätenkonferenz (uniko) warnte wiederum vor einem kompletten Wegfall der Gebühren. Für die Unis würde dies "einen weiteren finanziellen Aderlass bedeuten und ist in der derzeitigen angespannten Budgetsituation nicht verkraftbar", so uniko-Präsident Hans Sünkel. Die Regierung müsse entweder für eine verfassungskonforme Neuregelung sorgen oder die Studiengebühren ersetzen. Die Uni Wien warnte, dass eine generelle Abschaffung der Gebühren eine Finanzierungslücke in Millionenhöhe zur Folge hätte. Sie nehme allein durch Langzeitstudenten und Studenten aus Nicht-EU-Ländern pro Jahr neun Mio. Euro ein.
Für eine Beibehaltung der aktuellen Regelung mit einer Anpassung an die Bologna-Struktur plädiert die FPÖ. Auch aus Sicht der Grünen kann bei gutem Willen "leicht und rechtzeitig bis Februar 2012 eine verfassungskonforme Lösung gefunden werden", wobei Unis und Studenten einbezogen werden sollen.
Die Regelung
2008 wurden die Studiengebühren im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen die Studiengebühren de facto abgeschafft. Gebührenbefreit sind Österreicher und EU-Bürger, die innerhalb der Mindeststudiendauer plus einer Toleranzzeit von zwei Semestern pro Studienabschnitt studieren. Wer länger braucht, muss 363,36 Euro pro Semester berappen.
Ausnahmen gelten für Berufstätige und für Studenten, die aus bestimmten Gründen am Studium gehindert waren. Weiterhin zahlen müssen ausländische Studenten aus Nicht-EU-Staaten, mit 363,36 Euro allerdings nur mehr die Hälfte des bis dahin geltenden Beitrags. Den Unis wird der dadurch verursachte Einnahmen-Entfall aus dem Bundesbudget abgegolten.
(APA/Red.)