Ansturm: Uni Wien droht das "Chaos"

(c) Clemens Fabry
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Die Uni Wien zählt schon jetzt 20.000 Bewerber und steht vor einem neuen Studierendenrekord, den sie organisatorisch kaum noch bewältigen kann. In der SPÖ wächst die Verunsicherung über die Parteilinie.

Wien. Die Uni Wien blickt in eine ungewisse Zukunft: Nach den Unis Salzburg und Innsbruck präsentierte nun auch die größte Hochschule des Landes erste Anmeldezahlen für das kommende Semester. Und diese lassen für die Uni „keine gute Perspektive“ erahnen, sagt Heinz Engl, ab Herbst neuer Uni-Wien-Chef, im Gespräch mit der „Presse“. Denn knapp einen Monat vor Auslaufen der Anmeldefrist steht fest: Die Uni Wien steht vor einem neuen Studierendenrekord, den sie organisatorisch kaum noch bewältigen kann.

Schon jetzt haben sich mehr als 20.000 potenzielle Erstsemestrige „vorangemeldet“, in den kommenden Wochen wird die Zahl weiter steigen. Zum Vergleich: Im Wintersemester 2010/11 begannen insgesamt „nur“ 13.000 Studenten ihre Ausbildung an der Uni Wien. Momentan studieren rund 87.000 Menschen an der Institution. „Im Oktober werden wir die 90.000er-Grenze locker überspringen“, sagt Engl. Das Problem: Aus finanzieller Sicht habe die Universität Wien nur Kapazitäten für 60.000 Studierende, sagt Engl.

Besonders hohe Studentenzuwächse erwartet er in den Wirtschaftswissenschaften (hier könnte sich die Zahl der Bewerber verdoppeln), in der Dolmetschausbildung (plus 30 Prozent) und in den Sozialwissenschaften. Freie Kapazitäten gibt es noch in den mathematisch-technischen Fächern. Bisher vergleichsweise niedrig ist die Zahl deutscher Bewerber, die in Salzburg schon die Oberhand haben. An der Uni Wien liegt der Anteil der Deutschen bei 20 Prozent; im Vorjahr waren es 14 Prozent.

Engl: „Mut zu Auswahlverfahren“

Kritik übt Engl an der verpflichtenden Voranmeldung, die den Unis eigentlich „Planungssicherheit“ geben sollte. Eigentlich. Denn: An wie vielen Unis sich ein Student gleichzeitig voranmeldet, weiß niemand. Die Rektoren haben keine validen Zahlen, um den Studienbetrieb zu planen. Engls Problem ist jedoch nicht allein die fehlende Planungssicherheit („Was bringt es, wenn ich schon im August weiß, dass im Oktober das Chaos ausbricht?“). Er fordert vor allem rasche Entscheidungen von der Politik. „Die Regierung könnte es sich locker leisten, die Unis auszufinanzieren“, sagt er „mit Blick auf das Geld, das derzeit etwa in den Bahntunnelbau investiert wird“. Falls die Politik die Unis aber nicht besser finanzieren wolle, solle man „den Mut haben, gerechte, aber ernsthafte Auswahlverfahren einzurichten“.

Positiv bewertet Heinz Engl die jüngsten Äußerungen der Salzburger Landeschefin Gabi Burgstaller (SPÖ) in der „Presse“: Sie hat mit ihrer Kritik, der freie Hochschulzugang sei nur „eine Illusion“, die koalitions- und parteiinterne Debatte über die Unis neu entfacht.

Die SPÖ befindet sich nach Burgstallers Vorstoß, man solle den Zugang „steuern“, auf einem Rückzugsgefecht. Nachdem auch Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas mit der Aussage, „nicht jeder“ solle „alles studieren können“ (Freitags-„Presse“) in den Reihen der SPÖ für Unmut gesorgt hat, blockt man nun ab: Im Büro von Unterrichtsministerin Claudia Schmied will man mit Verweis auf „viele eigene Projekte“ nichts zum Thema sagen. (Und das, obwohl diese bei der Lehrerbildung selbst über Zugangshürden verhandelt.) Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl ist gar nicht für ein Statement erreichbar.

Deutsche setzen SPÖ unter Druck

In der Partei wächst unterdessen die Verunsicherung über eine mögliche neue Linie in Hochschulfragen. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass man beim Uni-Zugang überraschend Zugeständnisse macht: Auch gegen die neue strengere „Studieneingangsphase“ habe man sich lange gewehrt – und sei dann „plötzlich gegenüber der ÖVP eingeknickt“, heißt es in SPÖ-Kreisen. Der Deutschen-Ansturm setzt die Partei zusätzlich unter Druck. Und noch eines weiß die SPÖ: Will die Regierung – wie versprochen – bis 2013 ein Modell der Studienplatzfinanzierung realisieren, dann kommt sie an Platzbeschränkungen ohnehin nicht mehr vorbei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2011)

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