FH statt Uni: Experten wollen 40 Prozent FH-Studenten

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statt Experten wollen Prozent(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
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Der mit Spannung erwartete Hochschulplan ist da. Österreich muss das "Überangebot" von 1000 Studien verringern, wird geraten. Die Fachhochschulen sollen die Unis entlasten.

In fünfmonatiger Arbeit hat eine Expertengruppe im Auftrag des Wissenschaftsministeriums Empfehlungen für einen Hochschulplan erarbeitet - sie ortet raschen Handlungsbedarf: Das österreichische Wissenschafts- und Forschungssystem befinde sich "immer noch auf hohem Niveau", "weiteres Abwarten und ein Versuch, die allseits bekannten Probleme auszusitzen" würden jedoch zum "Abrutschen in die Mittelmäßigkeit" führen. "Unverzichtbar" aus ihrer Sicht: Verbesserte Steuerung (Governance) von Hochschulen und Forschung, Reform der Finanzierung, Platzbeschränkungen in Massenfächern und Zulassungsverfahren. Die Empfehlungen in Kurzform:

STAATLICHE STEUERUNG DES ANGEBOTS

Die Expertengruppe schlägt die Einführung von zwei neuen Gremien vor: Die "Hochschulkommission" soll aus Vertretern der betroffenen Ministerien (Wissenschaft, Wirtschaft, Technologie, Unterricht), der Länder und Hochschulexperten bestehen. Aufgabe des Gremiums ist Informationsaustausch und das Entwerfen strategischer Leitlinien (inhaltliche und finanzielle Rahmenbedingungen, gemeinsame Strukturprogramme etc.). In der "Hochschulkonferenz" sollen u.a. die Interessensvertreter von Unis, FH und Privatunis und Ministeriumsvertreter das Forschungsangebot abstimmen oder das "Überangebot" von rund 1000 Studiengängen verringern, indem sie etwa ihr Lehrangebot in kleinen Fächern in so genannten "Schools" bündeln. Die beiden Gremien sollen auch die Forschung steuern.

AUFGABENTEILUNG

Unis sollen vor allem in der Grundlagenforschung, Fachhochschulen (FH) hingegen auf angewandte Forschung und experimentelle Entwicklung konzentrieren. In der Lehre ist praxisnahe Berufsausbildung Aufgabe der FH. Unis sollen sich indes auf die theoriegeleitete Ausbildung konzentrieren und so ihr Profil schärfen.

VERTEILUNG DER STUDENTEN

Österreich soll den Fachhochschulbereich ausbauen und dadurch die Unis entlasten, heißt es in dem Papier. 2009 besuchten nur 11,1 Prozent aller Studenten eine FH, die Experten halten eine Steigerung auf 40 Prozent (allerdings inklusive PH-Studenten) für wünschenswert. Die Begründung: FH-Studenten studieren rascher, erfolgreicher und werden seltener arbeitslos. Als Manko der Unis heben die Experten außerdem hervor, dass fast 40 Prozent der Uni-Studenten maximal einen Tag pro Woche dem Studium widmen, 15 Prozent der Uni-Studenten machten keine einzige Prüfung. Für einen Ausbau der FH müsste jedoch das Fächerangebot erweitert und Lehrende höherqualifiziert werden.

HOCHSCHULBUDGET

Das Ziel: Eine Finanzierung, die neben der Lehre auch die Grundversorgung in der Forschung abdeckt, ohne dass dafür Drittmittel nötig sind. Die Experten orten in Österreich ein Finanzierungspotenzial von zusätzlichen 790 Mio. Euro pro Jahr. Den mit 280 Mio. Euro größten Brocken könnten nach Ansicht der Experten Ausgleichszahlungen aus jenen Ländern einbringen, aus denen die 60.000 ausländischen Studenten an Österreichs Hochschulen kommen. 220 Mio. sollen durch eine Wiedereinführung von Studiengebühren von 500 Euro pro Semester in die Kassen fließen. Die Experten raten "mit Nachdruck" dazu, einen "bescheidenen Semesterbeitrag" einzuheben, da die Beiträge "für die soziale Durchmischung in Österreich keine signifikante Rolle spielen".

Außerdem soll die Wirtschaft ihren bisherigen Beitrag für Unis auf 220 Mio. Euro pro Jahr verdoppeln und Länder die Unis durch eine Beteiligung an Uni-Infrastrukturkosten um rund 100 Mio. Euro pro Jahr entlasten (2009 waren es nur 9,8 Mio. Euro). 80 Mio. könnten zudem dadurch lukriert werden, dass - wie schon derzeit in Deutschland - die Hälfte der Studienbeihilfe nach dem Eintritt ins Berufsleben zurückgezahlt werden muss. Da jedoch zur Erschließung dieser Finanzquellen "politische Verhandlungen oder komplizierte Verträge" nötig sind, werde der Staat nicht umhinkommen, "die heute fehlenden Mittel dem Bildungs- und Wissenschaftssystem zur Verfügung zu stellen".

STUDIENPLATZFINANZIERUNG

Bis Ende des Jahres wird im Wissenschaftsministerium ein Modell, wie es bereits an den FH im Einsatz ist, auch für die Unis erarbeitet. Laut Experten ist eine "umfassende Kapazitätsplanung" Voraussetzung, zusätzlich sollte es folgende Kriterien erfüllen: Es soll sich an den Vollkosten eines Studienplatzes orientieren, nach Fächergruppen unterschiedlich sein und dabei die je Studium unterschiedlich notwendige Betreuung berücksichtigen. Mit den Mitteln pro Studienplatz - bezahlt werden soll nur für prüfungsaktive Studenten innerhalb der Toleranzdauer - soll auch ein Teil der Forschung abgegolten werden. Zusätzlich muss es eine leistungsorientiert vergebene Grundfinanzierung der Forschung geben, zumindest mittelfristig sollte es laut den Experten auch für die FH Forschungsmittel geben.

UNI-ZUGANG

Die Experten empfehlen, "den sogenannten 'freien' Zugang zu den Universitäten differenziert zu gestalten". Die Zahl der Plätze soll im Rahmen einer Studienplatzfinanzierung festgelegt werden. Beim Bachelor soll nur dann selektiert werden, wenn es mehr Interessenten als Plätze gibt, beim Master- und PhD-Studium immer. Als Selektionskriterien schlagen die Experten eine Kombination aus Maturanote und Eingangsprüfung bzw. Interviews vor, wobei im Wesentlichen jede Uni selbst entscheiden können soll. "Skeptisch" zeigen sich die Experten hingegen bei der ab Herbst geltenden Studieneingangsphase: Die Zulassung müsse vor Beginn des Studiums passieren, "um ein möglichst ungestörtes Weiterstudieren zu ermöglichen und Ineffizienzien zu vermeiden".

PRIVATUNIVERSITÄTEN

Die Experten sprechen sich dafür aus, jene Privatunis, die hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln der Länder finanziert werden, in das öffentliche Uni-System einzubeziehen. Die wenigen verbleibenden Privatunis, die völlig privat finanziert werden, seien hingegen "Mini-Institutionen", so dass zu überdenken wäre, ob sie tatsächlich das Promotionsrecht haben sowie den Titel "Universität" tragen sollen.

FORSCHUNG

Die Mittel für den Wissenschaftsfonds FWF sind mit 171,8 Mio. Euro aus Sicht der Experten "viel zu knapp bemessen". Zum Vergleich: Das Schweizer Pendant, der Schweizerische Nationalfonds, verfügt über 521,2 Mio. Euro (plus 73,8 Mio. für Forschungsprogramme). Die Experten plädieren außerdem dafür, die Zahl der Forschungsprogramme - es gibt allein 80 auf Bundesebene - "deutlich zu reduzieren" und Schwerpunkte zu setzen.

INFRASTRUKTUR

Wird künftig teure Forschungsinfrastruktur an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen benötigt, soll die Hochschulkommission diese nach wissenschaftlicher Bedeutung und Dringlichkeit reihen. Außerdem soll die Finanzierung von Infrastruktur kompetitiv ausgeschrieben werden, wobei jeweils mehrere Partner zusammenarbeiten sollen. Außerdem empfehlen die Experten, die Beteiligung an internationalen Großforschungseinrichtungen zu hinterfragen, wenn es nicht bereits ausreichend große Forschergruppen in dem Bereich gibt.

(APA)

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