Hochschulplan: Weisenrat für 40 Prozent FH-Studenten

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Das Expertentrio empfiehlt Studiengebühren und Zugangsregelungen bei überlaufenen Studien. Für Privat-Unis empfehlen sie Einschränkungen. Abwarten würde zu einem „Abrutschen in die Mittelmäßigkeit“ führen.

Wien. Die Erwartungen waren hoch: Über fünf Monate hat ein internationales Expertentrio im Auftrag des Wissenschaftsministeriums Empfehlungen für den heimischen Hochschulsektor erarbeitet. Am Dienstag stellten sie Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) ihren Bericht vor. Dieser soll mit die Grundlage für den österreichischen Hochschulplan sein, dessen Eckpunkte bis Jahresende stehen sollen. Die Zeit drängt, meinen die drei Experten (siehe Fakten-Kasten). So befinde sich der Sektor in Österreich zwar noch auf einem hohen Niveau. „Weiteres Abwarten und ein Versuch, die Probleme auszusitzen“ würden aber zu einem „Abrutschen in die Mittelmäßigkeit“ führen. Die wichtigsten Empfehlungen:


Stärkere Steuerung. Die österreichischen Unis brauchen vor allem eine strategische Steuerung. Einen der diesbezüglichen Vorschläge schmetterte Töchterle aber sogleich ab: Eine „Hochschulkommission“ aus Vertretern von Ministerien, Ländern und Experten hätte demnach für den Sektor Strategien entwickeln sollen. Der zweite Vorschlag ist auf Schiene: Schon im Herbst soll eine „Hochschulkonferenz“, bestehend aus Vertretern von Unis, Fachhochschulen (FH), Privat-Unis und Ministerium, ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll Strategien koordinieren, das Forschungsangebot abstimmen und das Lehrangebot bündeln.

Aufgabenteilung. Die Unis sollen sich vor allem auf Grundlagenforschung, Fachhochschulen dagegen auf angewandte Forschung konzentrieren. In der Lehre wird praxisnahe Berufsausbildung Aufgabe der FH, die Unis sollen sich dagegen auf die theoriegeleitete Ausbildung konzentrieren und so ihr Profil schärfen.

Ausbau der FH. Der Uni-Bereich soll vor allem qualitativ gestärkt werden, die Fachhochschulen aber auch quantitativ massiv ausgebaut werden. Die Experten halten eine Steigerung des Anteils von FH- und PH-Studenten auf 40 Prozent für wünschenswert. Dafür müssten aber das Fächerangebot erweitert und die Qualifikation der Lehrenden an den Fachhochschulen verbessert werden.

Neues Finanzierungskonzept.Die Experten orten ein Finanzierungspotenzial von rund 790 Millionen Euro pro Jahr, wenn sich all jene beteiligen, die am Uni-System auch ein Interesse haben: Ausländische Staaten sollten Ausgleichszahlungen leisten, die Bundesländer sollten sich an der Infrastruktur beteiligen, die Wirtschaft in die Forschung investieren. Wie zu erwarten gibt es in einem heiklen Bereich Rückenwind für Minister Töchterle: Studierende sollten wieder zur Kasse gebeten werden. Ein Beitrag von 500 Euro pro Semester würde für die soziale Durchmischung an den Unis keine Rolle spielen, so die Experten.

Studienplatzfinanzierung. Voraussetzung für das Modell, das bis Ende des Jahres stehen soll: eine Kapazitätsplanung, also eine Festlegung der Zahl der Studienplätze pro Fach und Uni. An diesem Punkt droht das Modell ob der Weigerung der SPÖ, den Uni-Zugang zu regeln, zu scheitern.

Zugangsbeschränkungen. Der freie Uni-Zugang sollte differenziert gesehen werden, so die Experten: Bei Bachelorstudien sollte selektiert werden, wenn es mehr Bewerber als Plätze gibt, beim Master- und PhD-Studium immer. Über die Aufnahmeverfahren sollte jede Uni selbst entscheiden. Auch das ist ein Vorschlag, bei dem mit heftigem Widerstand der SPÖ gerechnet werden kann.

Privat-Unis. Jene Unis, die hauptsächlich aus Ländermitteln finanziert werden, sollten ins öffentliche System geholt werden. Bei den übrigen „Mini-Institutionen“ sollte überlegt werden, ob sie den Titel Universität tragen dürften.

Forschung. Die Mittel für die Grundlagenforschung sollten deutlich ausgebaut werden.

Infrastruktur. Die Anschaffung teurer Forschungs-Infrastruktur soll künftig nach Bedeutung und Dringlichkeit gereiht werden.

Die Uni-Rektoren sehen das Papier als „gute Grundlage für die weitere Entwicklung der Hochschullandschaft“. Vorschläge wie etwa die Einführung von Studiengebühren als zusätzliche Einnahmequelle änderten nichts an der „Finanzierungsverantwortung des Bundes für die öffentlichen Universitäten“. Die Hochschülerschaft lehnt die Empfehlungen als „Auftragswerk der ÖVP“ ab.

Auf einen Blick

Der Hochschulplan soll neben neuen Finanzierungsmodellen neue Leitlinien für den Hochschulsektor bringen. So sollen Aufgabenprofile von Unis und FH voneinander abgegrenzt und Kooperationen zwischen Unis ausgebaut werden. Die Experten Antonio Loprieno (Uni Basel), Eberhard Menzel (Hochschule Ruhr West) und Andrea Schenker-Wicki (Uni Zürich) haben dafür Empfehlungen erarbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2011)

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