Um den völligen Entfall der Studiengebühren zu verhindern, hat die SPÖ der ÖVP einen Entwurf zur Reparatur des bestehenden Gesetzes vorgelegt. Die ÖVP lehnt eine Reform des "Flickwerks" ab.
Wien. Es ist eine Rolle, in der SPÖund ÖVP den jeweils anderen Koalitionspartner nur allzu gern sehen: jene des Blockierers. In der Frage der Studiengebühren haftete dieses Image – nicht ganz unverschuldet – bis zuletzt der SPÖ an. Allein: Zufrieden scheint so mancher in der Löwelstraße mit dieser Zuschreibung nicht mehr zu sein.
Es sei die Schuld von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP), dass es bislang noch nicht zur gemeinsamen Neuregelung der Studiengebühren – die bisherige Bestimmung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben – gekommen sei. Denn: Die Überlegungen zu einer Nachfolgeregelung innerhalb der SPÖ sind bereits weiter gediehen, als bisher öffentlich wurde. Das zeigt ein Konzept, das der „Presse“ vorliegt. Und, so der Vorwurf aus der SPÖ: Auch Minister Töchterle kenne das Papier – habe jedoch nie reagiert. Im Uni-Ministerium gibt man das auch offen zu. Es liege nicht im Interesse des Ministers, das „Flickwerk“ durch einen weiteren Flicken zu ersetzen. Er wolle die generelle Wiedereinführung.
35 Millionen Euro pro Jahr fehlen
Dabei wären durch den Reparaturvorschlag jene 30 bis 35 Millionen Euro pro Jahr gesichert gewesen, die auf Basis der derzeit gültigen Gesetzeslage eingehoben werden. Wie vom VfGH angeregt, sieht der SPÖ-Entwurf vor, die Gebühr nicht mehr an Studienabschnitte – die wegen der Bologna-Struktur (Bachelor, Master) als Auslaufmodell gelten – zu koppeln. An der derzeitigen Praxis hätte sich dadurch nur wenig geändert. Die 363,36 Euro pro Semester sollten weiter nur jene 15 Prozent der Studierenden zahlen müssen, die entweder die Mindeststudienzeit um mehr als zwei Semester überschritten haben oder aus Nicht-EU-Staaten kommen. Eine Sonderregelung wäre für mehr als sechssemestrige Bachelorstudien vorgesehen: Es soll zwei statt vier Toleranzsemester geben.
SPÖ-intern ging man noch einen Schritt weiter: Dem Vernehmen nach sei diskutiert worden, die zu bezahlenden Gebühren bereits dann einzuheben, wenn während des Studiums schon absehbar ist, dass ein Abschluss innerhalb der Mindeststudiendauer plus Toleranzsemester nicht mehr möglich ist. Die administrative Umsetzung schien aber zu schwierig.
Studenten: Mehrheit für Gebühren
Eine Einigung auf Studiengebühren scheint angesichts einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM im Auftrag der „Presse“ als durchaus sinnvoll. Denn: Sogar die Betroffenen sprechen sich mehrheitlich für die flächendeckende Wiedereinführung aus. 52 Prozent der Studierenden hätten damit kein Problem (siehe Grafik). „Auch wenn viele in der SPÖ das nicht gern hören: Es gibt in der Bevölkerung eine ganz breite Mehrheit für Studiengebühren. Je universitätsferner die Menschen, desto eher sind sie für Gebühren – und zwar auch die SPÖ-Wähler“, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Dass sogar die Studenten sich mehrheitlich dafür aussprechen, hängt laut Bachmayer mit „den eigenen Erfahrungen der Überlastung der Unis und der sinkenden Qualität des Studiums zusammen“. Um den völligen Entfall der Studiengebühren – wie es diesen ab 1.März geben wird – zu verhindern, wäre ein Einlenken Töchterles rückblickend übrigens sinnvoll gewesen. Denn: Ob der Rat des Ministers, die Unis sollten selbstständig Gebühren einheben, rechtlich gedeckt ist, bleibt unklar. Zwar wird die Mehrheit der Unis ab Herbst kassieren. Zahlen sollen aber auch dann nicht alle Studenten, sondern nur jene, die das laut derzeitiger Regelung tun. Sprich: Die Unis tun genau das, was die SPÖ vorgeschlagen hätte. Der einzige Unterschied: Rechtlich stehen die Alleingänge der Unis auf wackeligen Beinen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)