Nachruf: Der „Erzieher der Nation“ ist tot

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Marian Heitger war einer der streitbarsten und zugleich renommiertesten Bildungswissenschaftler das Landes. Er starb im Alter von 84 Jahren.

Ob er nun das heimische Bildungssystem als „pädagogischen Kontrollstaat“ anprangerte, der Universität vorwarf, nur noch von „der Gier nach Profit“ regiert zu werden oder mit scharfen Worten gegen das Bildungsvolksbegehren („Viele Forderungen tragen den Stempel von Beliebigkeit“) zu Felde zog: Marian Heitger, oft als „Erzieher der Nation“ oder „Anwalt der Lehrer“ bezeichnet, war einer der streitbarsten und zugleich renommiertesten Bildungswissenschaftler des Landes. Am Karsamstag ist der ehemalige Vorstand des Instituts für Erziehungswissenschaften der Uni Wien im Alter von 84 Jahren verstorben.

Heitger wurde im Jahr 1927 im deutschen Hamm geboren. Nach dem Studium der Pädagogik, Philosophie und Theologie an den Unis Paderborn und Münster war er als Wissenschaftler an mehreren deutschen Bildungseinrichtungen tätig, bevor er ab dem Jahr 1966 an der Universität Wien Theoretische und Systematische Pädagogik lehrte, später auch Sonder- und Heilpädagogik. Außeruniversitär engagierte sich Heitger bei den Salzburger Hochschulwochen, als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Universität Klagenfurt und als Vizepräsident der Wiener Katholischen Akademie.

Ein systematischer Denker

Bis zuletzt hielt Heitger Seminare an seinem ehemaligen Institut. „Was die Studenten von ihm lernen konnten, ist sauberes Denken“, sagt Bildungsforscher Stefan Hopmann. Beschrieben wird Heitger als „kluge Version katholischen Bildungsdenkens“. Praktiker sei er keiner gewesen, aber ein gründlicher und systematischer Denker.

Bekannt wurde Marian Heitger nicht nur durch seine jahrzehntelange Lehr- und Forschungstätigkeit, sondern vor allem auch durch seine oft umstrittenen, stets betont provokanten Aussagen und Kommentare – sehr viele in der „Presse“ – zu tagespolitischen Debatten.

Heftige Kritik übte Heitger in den vergangenen Jahren etwa am PISA-Test, der den Wettkampf als einzigen Zweck der Bildung festschreibe. „Es bietet kein Bild dessen, was wir von einem gebildeten Menschen verstehen. PISA misst nur die Äußerlichkeiten, also ob man dieses oder jenes gelernt hat“, so Heitger in einem seiner letzten „Presse“-Interviews. Seine Bilanz war zuletzt eine nüchterne: „Gedanken darüber, wohin es mit den Menschen gehen soll, macht sich in unserem Bildungssystem kaum noch jemand.“ chs/j.n.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2012)

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