Nach Audimax-Räumung: Hauptuni heute geschlossen

Wien Studenten besetzen Audimax
Wien Studenten besetzen Audimax(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Sämtliche Lehrveranstaltungen und Prüfungen wurden heute abgesagt. Am späten Abend war der Audimax nach kurzfristiger Besetzung geräumt worden. Heute sollen bereits die nächsten Aktionen geplant werden.

Nach der Räumung des durch Studenten der Internationalen Entwicklung (IE) besetzten Audimax an der Universität Wien am späten Donnerstagabend bleibt das Hauptgebäude heute, Freitag, geschlossen. "Bis alle Beschädigungen behoben und Verunreinigungen beseitigt sind", sei der Zutritt nur für Mitarbeiter möglich, wie es auf der Webseite der Uni heißt. Sämtliche Lehrveranstaltungen und Prüfungen wurden abgesagt, "kurzfristige Ersatztermine an anderen Orten sind nicht möglich".

Nachdem am Donnerstag Vormittag bereits rund hundert Studenten der Internationalen Entwicklung (IE) einige Stunden lang das Rektorat der Universität Wien besetzt hatten, wurde am Nachmittag auch das Audimax besetzt. Grund für die Proteste ist die Abschaffung des Bachelorstudiums Internationale Entwicklung, die in der vergangenen Woche von der Uni bekannt gegeben wurde. In den Abendstunden waren bis zu 500 Personen bei der Besetzung des größten Uni-Hörsaal anwesend, kurz vor 22 Uhr hat die Polizei mit der Räumung begonnen.

Die ÖH der Uni Wien erklärte sich schon kurz nach Beginn der Besetzung in einer Durchsage zu einhundert Prozent solidarisch mit der Besetzung, auch die ÖH-Bundesvertretung hatte schnell ihre Unterstüzung bekundet. Der Protest sei der einzige Ausweg für Studierende, sich Gehör zu verschaffen, so die Studentenvertreter.

Schnelles Vorgehen auf allen Seiten

Das erste Plenum der Besetzer hat bereits um 17 Uhr stattgefunden. Auch mit dem Rektorat wurde kurz danach verhandelt. Die Uni-Leitung hatte den Besetzern ein Ultimatum gestellt: Hätten sie bis 20 Uhr das Audimax verlassen, hätte sich das Rektorat bereit erklärt, Gespräche mit "allen Interessierten" zu führen. Die Ergebnisse hätten dann in die aktuellen Leistungsvereinbarungen einfließen sollen. Die Besetzer bezeichneten das Angebot allerdings als unannehmbar. Die vorgeschlagenen Gesprächstermine sollten nämlich erst nach jener Senatssitzung stattfinden, bei der über eine autonome Einführung von Studiengebühren, die Abschaffung des erst vor vier Jahren eingeführten IE-Bachelors und die als K.o.-Phase kritisierte Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) entschieden werden soll.

So haben die Besetzer den Hörsaal nicht bis zum geforderten Zeitpunkt verlassen. In einem Brief hatten sie erklärt, nur dann abzuziehen, wenn das IE-Bachelorstudium wieder eingeführt wird. Deshalb hat das Rektorat die Polizei angewiesen, mit der Räumung des Hörsaals zu beginnen.

Polizei nimmt Daten der Besetzer auf

Diese "bat" die Besetzer aus dem Hörsaal, führte bei allen Anwesenden Identitätskontrollen durch und nahm die Daten der 200 bis 300 Besetzer auf: Ihnen drohen nun Verwaltungsstrafen. Vereinzelt wurden besonders hartnäckige Besetzer auch aus dem Hörsaal getragen, die meisten haben ihn freiwillig verlassen.

Die Studenten kritisierten das Vorgehen der Polizei als "brutal". Manche beschwerten sich darüber, dass sie nach dem Räumungsbefehl keine Zeit gehabt hätten, das Gebäude zu verlassen, ohne dass ihnen die Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung vorgeworfen wurde. Nach Angaben einer Uni-Sprecherin wurde durch die neuerliche Besetzung eine Prüfung von rund 600 Psychologie-Studenten gestört, sie habe abgesagt werden müssen.

Für den Freitag wurden bereits im Vorfeld der Räumung Termine verlautbart: Die Demonstranten ihrerseits wollen um 09.00 Uhr früh eine "alternative Lehrveranstaltung" in einer Bankfiliale gegenüber der Uni Wien abhalten. Die weitere Vorgehensweise soll dann um 13.00 Uhr im Hörsaal C1 am Uni-Campus im Alten AKH besprochen werden. Die ÖH rief zudem zu einer Kundgebung am 26. April 2012 um 14.00 Uhr auf, parallel zu einer Sitzung des Senats der Uni Wien, auf. Der Grund: "Die Grenze des Erträglichen" sei "schon lange überschritten". Rektor Engl gibt am Freitag um 11.00 Uhr eine Pressekonferenz.

Hintergrund: Abschaffung des IE-Bachelors

Die Studenten wollten mit der Besetzung gegen die geplante Abschaffung des vor vier Jahren eingeführten, von rund 2000 Studenten inskribierten, Bachelorstudiums IE protestieren. Die Kontroverse um das Studium ist nicht neu: Die Uni Wien drohte seit längerem damit, einzelne Studienrichtungen abzuschaffen. Damit soll Budgetengpässen aufgrund steigender Studentenzahlen entgegen gewirkt werden. Die Internationale Entwicklung galt dabei schon immer als Sorgenkind: Die Betreuungsquote sei nicht gewährleistet, lautete dann in der Vorwoche die Begründung für das Auslaufen - des im deutschsprachigen Raum einzigartigen - Studiums. Künftig soll es nur mehr ein Masterstudium Internationale Entwicklung geben.

Auch die Audimax-Besetzung passierte nicht zum ersten Mal: Bereits im Herbst 2009 hatten Studenten aus Protest gegen die Umstellung der Ausbildung auf die Bologna-Studienarchitektur (Bachelor/Master/PhD) und die Abschaffung von Studien 61 Tage lang das Audimax besetzt. Zeitweise waren damals um die tausend Personen anwesend. Aus der Besetzung entstand die Protestbewegung "unibrennt".

Auch Rektorat war am Vormittag besetzt

Am Donnerstagvormittag war bereits das Rektorat der Uni Wien von etwa hundert Studenten besetzt worden. Sie forderten ein Weiterbestehen ihres Studiums "Internationale Entwicklung", das bald nur noch als Masterstudium zu inskribieren sein soll. Nach kurzer Zeit beendete die Polizei die Protestaktion. Ein Teil der Studenten wurde zu einem freiwilligen Abzug bewegt, der andere ließ es auf eine Räumung ankommen.

Töchterle: Kein Anlass zu diskutieren

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) sieht derzeit noch keinen Anlass, sich der Diskussion mit den protestierenden Studenten an der Universität Wien zu stellen. Es gehe um ein Problem, welche Studien in welcher Form geboten werden sollen. Darüber habe er schon mehrfach sowohl mit Studenten als auch mit Uni-Wien-Rektor Heinz Engl geredet. "Das ist eine Diskussion innerhalb der Uni und sollte nach Möglichkeit auch dort geführt werden", so Töchterle am Freitag am Rande einer Pressekonferenz in Wien. Er zeigte sich aber bereit, sich einer Diskussion mit den Studenten zu stellen, "sollte das Ganze größere Dimensionen annehmen".

Auch im Zusammenhang mit den Protesten der Studenten gegen die an einigen Unis geplante Wiedereinführung der Studiengebühren verwies der Minister darauf, dass dies eine Entscheidung der jeweiligen Universität sei. Es beginne nun die Diskussions- und Entscheidungsphase in den Uni-Senaten und man werde sehen, ob es dann an einzelnen Standorten zu massiven Aktionen vonseiten der Gegner kommen werde. Er wisse aber, dass es auch innerhalb der Studierenden eine Mehrheit für Studienbeiträge gebe, wenn diese sozial ausgewogen seien. Deshalb glaubt Töchterle nicht, dass es zu einem "großflächigen Agieren" gegen solche Überlegungen kommen werde.

"Auch zu härteren Maßnahmen greifen"

Befragt, was er vom Vorgehen des Rektorats der Uni Wien hält, sowohl das besetzte Rektorat als auch das Audimax am Donnerstag von der Polizei räumen zu lassen, sagte Töchterle, dass er keine Details kenne. Er könne nur sagen, wie er als Rektor der Uni Innsbruck reagiert hätte: "Wenn es sich um einen Wunsch nach Diskussion gehandelt hätte und die erzwungen werden sollte, würde ich mich einer solchen Diskussion stellen. Wenn das hingegen in Gewalt ausartet oder auch in massive Störungen des gesamten Betriebs durch eine ganz kleine Gruppe und sie sich nicht bewegen lässt, davon abzusehen, dann muss man auch zu härteren Maßnahmen greifen", so Töchterle.

(Ag./Red.)

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