Autonomie: Angst vor unbegrenzter Uni-Gebühr

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Autonomie Angst unbegrenzter UniGebuehr(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die Studentenvertreter fürchten schon bald einen unkontrollierbaren Anstieg der Studiengebühren – und kritisieren die "Stillstandspolitik" des Wissenschaftsministers.

Wien. Was für eine kurze Zeit wie ein brillanter taktischer Schachzug wirkte, wird für Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) immer mehr zum PR-Debakel: Für seinen Plan, die Universitäten – am innerkoalitionären Widerstand der SPÖ vorbei – zur autonomen Einhebung von Studiengebühren zu drängen, erntet Töchterle zunehmend Kritik von allen Seiten. Sein Vorgehen sei „ein Schlag ins Gesicht“ aller Studierenden, lautet nun der Vorwurf der ÖH-Bundesvertretung. Der Minister begehe „einen extremen Vertrauensbruch“, sagt Martin Schott vom ÖH-Vorsitzteam im Gespräch mit der „Presse“. Töchterle „lässt die Unis und die Studierenden seit Monaten im rechtslosen Raum im Regen stehen“. Es könne nicht sein, dass er sich „nun noch weiter aus der Verantwortung zieht“.

Der Grund für die Verärgerung: Töchterle hat am Wochenende in der Tageszeitung „Österreich“ seinen Alleingang einmal mehr verteidigt. Und sogar nachgelegt: Segnet der VfGH das Vorhaben einzelner Unis, auf eigene Faust (und derzeit eigenes Risiko) Gebühren einzuheben, ab, dann sei eventuell gar keine gesetzliche Neuregelung der Studiengebührenfrage mehr nötig, wird Töchterle in „Österreich“ zitiert. Das würde bedeuten, dass die Leitungsgremien der Unis künftig allein über die Höhe der Studiengebühren an ihrer Institution entscheiden dürften. Auch die „soziale Abfederung“ könnte den Universitäten überlassen werden, so Töchterle. „Ich traue den Unis ein ausreichend soziales Gewissen durchaus selbst zu.“

Befürchtungen nicht unberechtigt

Ein Vertrauen, das die Studierendenvertreter nicht teilen: „Zuerst versichert der Minister den Studierenden stets, dass die Gebühren die Grenze von 500 Euro nicht übersteigen werden. Und als hätte es diese Aussage nie gegeben, ebnet er jetzt den Weg für das Einführen von Gebühren in beliebiger Höhe“, so Martin Schott. Seine Befürchtung: Bei Budgetengpässen wären die „rechtswidrigen“ autonomen Studiengebühren eine der ersten Schrauben, an denen gedreht werden könne. „Natürlich auf Kosten der Studierenden. Sind Gebühren einmal in beliebiger Höhe einhebbar, sind ständige Erhöhungen programmiert.“

Schott verweist auf einen internationalen Präzedenzfall: An englischen Unis habe sich der Betrag, auf den man sich im Jahr 2006 geeinigt habe, mittlerweile auf 9000 Pfund (rund 10.300 Euro) verdreifacht. Die staatlichen Mittel werden parallel dazu zurückgefahren. „Dass derartige Szenarien für Österreich auch bald Realität werden könnten, ist durchaus anzunehmen“, so Schott.

Dass hierzulande ähnlich hohe Gebühren eingehoben werden, erscheint derzeit zwar mehr als unwahrscheinlich – und wird auch von allen Uni-Rektoren bestritten. Dennoch ist die Angst vor laufenden Erhöhungen nicht ganz unberechtigt.

Für das nächste Semester haben sich die Rektoren zwar (noch) freiwillig darauf verständigt, lediglich die bisherige Regelung wieder einzuführen – und die Studiengebühren in Höhe von 363,36 Euro lediglich von Langzeitstudenten und Nicht-EU-Bürgern einzuheben. Bereits jetzt lässt so mancher Uni-Chef aber durchklingen, dass er sich damit nicht auf Dauer zufriedengebe: Sobald der VfGH die Studiengebühren als rechtmäßig absegnet und die Gefahr von Massenklagen gebannt ist, wolle man „nachschärfen“, heißt es an mancher Uni. Von 500 bis 1000 Euro pro Semester ist die Rede.

Parallel wächst auch unter den Rektoren der Ärger über den Minister: Viele wollen die Bürde der autonomen Einhebung nicht tragen – und wünschen sich eine für alle verbindliche, politische Einigung der Koalition. Die ÖH formuliert es schärfer: „Gesetzesreparaturen und Rechtssicherheit scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Die Stillstandspolitik Töchterles führt das Autonomieprinzip ad absurdum und ist im Grunde eine systematische Verneinung der eigenen Verantwortung“, sagt Martin Schott.

Töchterle will gesetzliche Lösung

Der Minister selbst relativiert am Sonntag im Gespräch mit der „Presse“: Ihm liege viel an einer gesetzlichen Lösung. Nicht umsonst habe er bereits im September ein eigenes Studienbeitragsmodell vorgelegt. „Ich halte es für erstrebenswert, eine Höchstgrenze von 500 Euro und zahlreiche soziale Maßnahmen festzuschreiben“, so Töchterle. Etwa die Möglichkeit zur Stundung der Gebühr sowie den Ausbau der Studienförderung. Töchterles Modell scheitert derzeit am Widerstand der SPÖ.

Die Studentenvertreter der ÖH gehen jedenfalls weiter auf Konfrontation: Sollte der Minister weiterhin so vorgehen, „blüht ihm ein düsterer, protestreicher Frühling“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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