Wien als „Transitstadt“ für Wissenschaftler

(c) Clemens Fabry
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Wien hat zwar einen hohen Anteil an ausländischen Studierenden. Diese kommen aber nur aus wenigen Herkunftsländern – und bleiben selten in Österreich. Das zeigt die Studie „Wiener Karrieren“.

Wien. Mit einem Anteil von 23 Prozent ausländischer Studierender stünde die Stadt Wien im internationalen Vergleich eigentlich nicht so schlecht da: Länder wie Australien und Großbritannien bewegen sich im gleichen Feld. Dem hohen Anteil an Studierenden steht allerdings eine geringe Bleibequote der internationalen Gäste gegenüber. Welche Bedeutung hat Wien also als Standort für international mobile Wissenschaftler? Dieser Frage ging eine aktuelle Studie von Joaneum Research im Auftrag des Wiener Uni-Beauftragten Alexander Van der Bellen (Grüne) nach.

Nach Ansicht der Studienautoren hat die Abwanderung nach dem Studium mit den typischen Herkunftsländern der internationalen Studenten in Österreich zu tun. So kommt ein Großteil von ihnen aus Deutschland und Osteuropa (jeweils ein Drittel). Warum Österreich besonders für Deutsche und Osteuropäer interessant ist, habe vor allem bei Ersteren mit den vergleichsweise geringen Zugangsbarrieren zum Studium sowie mit der räumlichen und kulturellen Nähe zu tun. Zusätzlich konstatieren die Studienautoren, dass die Qualität des österreichischen Ausbildungssystems vor allem Studierende aus ökonomisch und wissenschaftlich schwächeren Ländern anziehe, womit sich die Attraktivität der österreichischen Hochschulen für Osteuropäer erkläre.

Demgegenüber sind die Zielländer der in Österreich ausgebildeten Nachwuchswissenschaftler die USA, Großbritannien, Deutschland und Kanada. So kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Österreich „im wissenschaftlichen Mobilitätskarussell“ lediglich eine „Brückenfunktion zwischen Ost und West einnimmt“. Das gelte sowohl für Studierende als auch für Doktoranden.

Die Analyse der Doktoratsstudierenden und Professoren in Wien zeigt eine zunehmende Mobilität und Internationalisierung mit fortschreitender wissenschaftlicher Karrierestufe: 25 Prozent der Doktoratstudierenden und 32 Prozent der Professoren kamen 2010 aus dem Ausland. Dabei schließt mehr als die Hälfte der ausländischen Doktoranden in Ingenieurs- oder Naturwissenschaften ab.

Diversität lässt zu wünschen

Aber auch der höhere Grad an Internationalisierung auf dieser Ebene sei hauptsächlich auf den Zuzug deutscher Staatsbürger zurückzuführen. Werden diese nicht berücksichtigt, stagniert der Anteil internationaler Wissenschaftler. So wirkt sich der hohe Anteil an Deutschen zwar positiv auf die Zahlen aus. Gleichzeitig führt dieser Umstand dazu, dass die Diversität des heimischen Wissenschaftsbetriebs „auf mehreren Ebenen zu wünschen lässt“, meint Uni-Beauftragter Van der Bellen. Die Diversität wäre aber von großer Bedeutung, wenn es darum gehe, ein System innovativ zu gestalten.

Denn auch das Konzept der sogenannten Brain Circulation, das im Zentrum der Studie steht, geht davon aus, dass sich durch die räumliche Mobilität von Humankapital permanent Neukombinationen von Wissen ergeben, aus denen Ideen und Innovationen entstehen können. Und diese Brain Circulation gelte es bewusst „in Gang zu halten“, wenn Wien ein international attraktiver Standort für Wissenschaftler sein soll, meint Van der Bellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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