Gras: „Das Aufschreien gegen das Ministerium ist wichtig“

PRAeSENTATION GRUeNE & ALTERNATIVE STUDENTINNEN (GRAS) 'SPITZENKANDIDATINNEN FUeR DIE OeH-WAHL 2013': SPIELMANN / FLEISCHHACKER
PRAeSENTATION GRUeNE & ALTERNATIVE STUDENTINNEN (GRAS) 'SPITZENKANDIDATINNEN FUeR DIE OeH-WAHL 2013': SPIELMANN / FLEISCHHACKERAPA/HELMUT FOHRINGER
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Viktoria Spielmann und Marie Fleischhacker: Das Spitzenduo der Gras über das bankrotte Café Rosa und eine neue Studieneingangsphase.

Die Presse: Würde die Gras 4000 Euro geschenkt bekommen, was würde sie mit dem Geld machen?

Viktoria Spielmann: Ich würde das Geld für eine Vertretungswerkstatt ausgeben, in der Studierende Konzepte erarbeiten können. Ich finde es wichtig, dass Studierende in den ÖH-Strukturen mehr partizipieren können.

Die ÖH Uni Wien, an deren Spitze die Gras steht, zahlt monatlich diese 4000 Euro für die Miete des bankrotten Cafè Rosa.

Marie-Therese Fleischhacker: Wenn das Café verpachtet wird, fließt wieder etwas Geld zurück.

Die Mietzahlungen sind definitiv weg.

Fleischhacker: Das Café Rosa ist ein mutiges Projekt, das leider schiefgegangen ist. Was man sagen muss: Es war ein Projekt der ÖH Uni Wien und nicht der Bundes-ÖH.

Wie lang kann man bei der Suche nach einem Pächter auf die Prinzipien des Cafés – antiheteronormativ, antikapitalistisch und antiklerikal – beharren und wann ist es Zeit, davon abzugehen?

Spielmann: Es wird schon jetzt an einer konstruktiven Lösung gearbeitet. Allerspätestens bis Juni soll ein Pächter gefunden werden.

Das Café Rosa war ein Projekt der ÖH-Exekutive der Uni Wien. Wie hat es der VSStÖ geschafft, sich von diesem Thema abzuputzen?

Fleischhacker: Das hat mit der Berichterstattung zu tun. Die Aktionsgemeinschaft hat ihre Schmutzkübelkampagne vor allem gegen die Gras gerichtet.

Der VSStÖ wirft der Gras vor, dass sie nur laut schreit und keine Konzepte hat.

Spielmann: Das laute Aufschreien ist wichtig. Gerade wenn man sich einem Wissenschaftsministerium gegenüber sieht, das alles durch die Hintertür machen will. Und: Wir haben konkrete Konzepte wie etwa das Studium generale. Studierende sollen demnach die ersten beiden Semester zur Orientierung nützen und Kurse aus unterschiedlichsten Studienrichtungen besuchen.

Studenten werden dadurch länger studieren.

Spielmann: Nein. Die Kurse sollen allesamt angerechnet werde. Studierende werden dadurch sogar schneller fertig werden, da sie das Studium nicht so häufig wechseln.


Inhaltlich dominiert im Wahlkampf das Thema Beihilfen. Die Gras war in den vergangenen beiden Jahren in der Exekutive und hätte eine Reform des Beihilfensystems anstreben können. Warum ist das nicht gelungen?

Spielmann: Im Wissenschaftsministerium gibt es ein Bekenntnis zur Elite und das schließt mit ein, dass Studierende nicht als Individuen gesehen, sondern auf Grund ihrer Eltern bewertet werden.

Der Minister sagt, dass er eine bessere soziale Durchmischung der Studenten anstrebt. Wenn er von Elite spricht, dann von einer geistigen Elite.

Spielmann: Wenn man sich die Zugangsbeschränkungen und die Studiengebühren anschaut, dann ist das vor allem eine soziale Selektion.

Fleischhacker: Er setzt einfach die falsche Strategie ein. Man sieht das am Medizin-Aufnahmetest. Dieser Test hat der sozialen Durchmischung noch zusätzlich geschadet.

Apropos Medizin-Aufnahmetest: Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass das System kollabieren würde, wenn man den EMS-Test von heute auf morgen abschaffen würde.

Fleischhacker: Von heute auf morgen wird man eine so große Veränderung nicht machen können. Aber: Wenn man diese geschickt vorbereitet und die Studienplätze ausgebaut werden, dann ist das auf jeden Fall möglich.

Spielmann: Im Medizinstudium gibt es viele deutsche Studierende. Die haben in ihrem Land den Numerus Clausus – eine extreme Zugangsbeschränkungen. Da müsste man ansetzten. Man müsste mit Deutschland mehr in Diskurs gehen und so versuchen, die extremen Zugangsbeschränkungen zu lockern.

Glaubt ihr tatsächlich, dass österreichische Politiker Deutschland dazu bringen können, ihr ganzes System auf den Kopf zu stellen?

Spielmann: Zumindest müsste mehr in Diskurs gegangen werden. Derartige Gespräche hat es immer wieder gegeben. Die ehemalige deutsche Bildungsministerin Annette Schavan ließ Österreich ausrichten, dass man die Sorge in Österreich zwar verstehe, dass man deshalb aber dennoch nicht bereit sei, etwas zu verändern.

Fleischhacker: Dennoch sollte man mit Deutschland reden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Problem zu lösen. In Skandinavien gibt es etwa Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern. Das könnte man auch in Österreich andenken. Außerdem können wir auch in Österreich etwas ändern. Durch eine bessere Studienbetratung könnten Studierende sehen, was sie im Medizinstudium tatsächlich erwartet.

Glaubt ihr, dass es viele Medizinanfänger gibt, die in anderen Fächern glücklicher wären?
Fleischhacker: Das kann durchaus sein.

Soll es insgesamt mehr Studenten geben? Oder lediglich eine bessere soziale Durchmischung?

Spielmann: Bildung ist ein Menschenrecht. Und insofern muss man sagen: Je mehr Leute ein Studium anfangen, desto besser. Das hebt den Bildungsstandard.

Ist eine Lehrer genauso wertvoll wie ein Studium?

Spielmann: Natürlich. Wir sehen Bildung ja gesamtheitlich. Es soll die Wahlmöglichkeit geben.
Fleischhacker: Es braucht mehr Anerkennung von Bildung abseits der Universität. Damit etwa nicht mehr gesagt wird, dass FH oder PH-Abschlüsse weniger wert sind.

Das heißt, dass Bildung genauso viel Wert ist wie Ausbildung.

Fleischhacker: Bildung kann beides sein. Wichtig ist, dass unsere Bildung nicht nur auf Ausbildung reduziert wird.

Spielmann: Selbst an der Uni geht es teilweise nur noch um Ausbildung. Freie Bildung wird dort immer öfter zurückgedrängt. Es geht immer weniger um die eigenen Interessen und immer mehr um das Abarbeiten eines vorgegebenen Lehrplans. Es geht darum, dass Studierende schnell mit dem Studium fertig werden. Diese Marktlogik muss durchbrochen werden.

Zu den Personen

Viktoria Spielmann (links) ist 26 und steht gemeinsam mit Marie Fleischhacker (22) an der Spitze der Grünen und alternativen Studierenden der Gras. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2013)

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