ÖH-Wahl: Für manche wird es knapp(er)

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Unabhängige und serviceorientierte Fraktionen könnten – neben der früheren FH-Fraktion Fest – die Verlierer der Wahlrechtsreform sein. Kleine Fraktionen müssen zittern.

Wien. Der Weg zum Wahllokal an der Uni Wien ähnelt einem Slalom: Wer seine Stimme für die ÖH-Wahl abgeben will, muss sich erst durch die letzten Wahlwerber schlängeln. Es gibt Äpfel vom roten VSStÖ, Kaffee von den pinken Junos und Kressesamen – die aber interessanterweise nicht von den grünen Studenten der Gras, sondern von der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft.

Hat man es ins Wahllokal beim Audimax geschafft, ist einiges los. „Dass die Bundesvertretung jetzt direkt gewählt wird, erhöht schon die Motivation, wählen zu gehen“, sagt der Geschichtestudent Christoph Glanninger. Der Lehramtsstudent Lukas Weiser, der kurz darauf aus der Wahlkabine kommt, hat auf Universitäts- und Bundesebene zwei unterschiedliche Listen gewählt. „Die ÖH-Fraktion, die ich bundesweit wähle, tritt an der Uni Wien nicht an.“

Zwölf Jahre lang war das nicht möglich – mit der Wiedereinführung der Direktwahl gibt es wieder drei Stimmzettel: für Studienrichtungsvertretung, Hochschule und Bundes-ÖH. Insgesamt könnte die Wahlrechtsreform zu Verwerfungen bei den Mandaten führen.

1. Verzerrungen werden bereinigt – darunter leiden Unabhängige.

Legt man die Ergebnisse an den Universitäten bei der vorigen ÖH-Wahl auf den direkten Wahlmodus mit 55 Mandaten um, verlieren die Fachschaftslisten und die Fest – während AG, VSStÖ, Gras und Junos profitieren. Ihre Uni-Mandate hatten FLÖ (und Fest) vielfach über kleinere Universitäten geholt – dort waren für ein Mandat weniger Stimmen nötig. Mit der Direktwahl gibt es solche Verzerrungen nicht mehr. An der Reihung der Fraktionen ändert sich aber laut einer Auswertung des langjährigen ÖH-Wahlkommissionsmitglieds Karl-Arthur Arlamovsky, der jetzt bei den Neos engagiert ist, nichts: Auf Platz eins läge dann nach wie vor die AG, gefolgt von FLÖ und VSStÖ. Es gibt aber noch eine Reihe anderer Faktoren, die sich auswirken.

2. Stimmensplitting könnte Fraktionen mit politischem Profil helfen.

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Studierende können jetzt für die Wahl der Bundes-ÖH nicht nur aus einem deutlich breiteren Spektrum wählen als früher – sie können auch differenzieren. Bislang waren nur jene Fraktionen wählbar, die an der eigenen Hochschule antraten – jetzt sind es (bundesweit) alle. Studenten können jetzt auch an der Hochschule für eine und bundesweit für eine andere Fraktion stimmen. Das könnte jene benachteiligen, die serviceorientierter und weniger politisch ausgerichtet sind – und jene bevorzugen, die ein stärkeres politisches Profil haben oder die bundesweit bekannter sind. Darunter leiden könnten (wieder) die FLÖ.

3. Für manche kleinen ÖH-Fraktionen kann es knapp werden.

Kleine Listen, die bisher nur über das gute Abschneiden an einer Uni ein Mandat bekommen haben – wie zuletzt eher unabsichtlich die Spaßfraktion No Ma'am aus Linz – fliegen sowieso raus. Auch andere kleine Fraktionen müssen aber zumindest zittern: Weil es nur noch 55 Mandate gibt, braucht es für den Einzug ins Studierendenparlament knapp zwei Prozent aller Stimmen. Nur wenig mehr hatten zuletzt der RFS, die beiden kommunistischen Fraktionen, die (nicht mehr antretenden) Piraten und die Fest.

4. Die Ex-FH-Fraktion Fest wird zu den großen Verlierern gehören.

Das Beispiel der früheren FH-Fraktion Fest zeigt die Skurrilität des alten Wahlmodus am besten: Mit nur 1,6 Prozent der Stimmen hatte sie 14 der 100 Mandate in der Bundesvertretung – fast alle davon über die Fachhochschulen mit ihrem eigenen Wahlsystem. Das gibt es jetzt nicht mehr. Und obwohl sich die Fest zuletzt bemüht hat, auch Studenten abseits der FH ein Angebot zu machen: Einen derartig hohen Mandatsanteil dürfte sie nicht wieder schaffen.

5. Das Wahlverhalten an FH, PH und Privat-Unis ist mitentscheidend.

Sie stellen immerhin ein Fünftel aller Studierenden: die Studenten an Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privat-Unis. Wie sie wählen, wird spannend – und auch, ob sie überhaupt hingehen. Bei der letzten Direktwahl 2003 – als die Studenten an Privat-Unis und PH regulär mitwählten –, war die Beteiligung mit zehn bzw. 15Prozent extrem niedrig. Der Reiz des Neuen könnte sie – und die FH-Studenten – vielleicht zum Wählen bewegen. Bleibt die Frage, welchen Fraktionen es gelungen ist, sich an diesen drei Hochschultypen derartig stark zu etablieren, dass sie Stimmen für die ÖH-Bundesvertretung bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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