ÖH-Wahl: Die Sieger, Verlierer und Überraschungen

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Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft siegt bei der Hochschülerschaftswahl. Trotzdem ist eine Koalition aus linken Fraktionen wahrscheinlich. Die Sieger, Verlierer und Überraschungen.

Erst 20 Stunden nach dem Schließen des letzten Wahllokals, hatte das Warten auf die offiziellen Ergebnisse der ÖH-Wahl ein Ende. Dann waren die Stimmen an den letzten der 72 Hochschulen – neben den 22 Unis wählten auch Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und Privat-Unis zum selben Termin – ausgezählt. An den Ergebnissen änderte das aber nur wenig: Auch diesmal siegt die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft – aber die linke ÖH-Führung verteidigt ihre Mehrheit trotz Verlusten. „Die Presse“ hat sich Wahlausgang und Koalitionsvarianten genauer angesehen.

1 Eigentlicher Gewinner sind die Gras. Sie punkten auf Kosten des VSStÖ.

Offizieller Wahlsieger ist zwar die AG. Insgeheim dürften sich aber die grünen Studierenden der Gras als solche fühlen. Sie konnten sich im harten Kampf um Platz zwei gegen den roten VSStÖ durchsetzen – und wohl auf seine Kosten punkten. Grün ist für Studierende wählbar. Es ist hip. Dass mit der heurigen Spitzenkandidatin Meryl Haas keine allzu streitbare und auffällig weit links positionierte Person an der Spitze stand, dürfte geholfen haben. Die Gras hat mit dieser Wahl die Skandale um das bankrottgegangene Studi-Beisl Café Rosa offenbar hinter sich gelassen.

2 Das neue Wahlsystem macht es für die Parteilosen schwieriger.

Am Gesamtergebnis ändert die Wiedereinführung der Direktwahl zwar nur wenig. Sie bringt aber für manche Fraktionen schmerzhafte Verschiebungen. Die parteiunabhängigen Fachschaftslisten (FLÖ) profitierten vom alten System, weil sie viele Mandate an kleinen Unis sammelten – und dort brauchte es pro Mandat weniger Stimmen. Der Wegfall dieser Verzerrung schadet den FLÖ. Hinzu kommt, dass sie an vielen Unis mit einem anderen Namen auf Stimmenfang gehen. Den Wählern zu vermitteln, dass die lokale Uni-Liste Delphin und Drache auf Bundesebene FLÖ heißt, ist schwer. Ähnlich schlecht erging es der ursprünglichen FH-Fraktion Fest – die an den FH und PH bisher fast ein Monopol hatte. Jetzt konnten FH- und PH-Studierende auf Bundesebene aber zwischen elf Listen wählen.

3 Der Ruf nach Studiengebühren muss nicht schaden. Die Junos punkten.

Für den Neos-Ableger Junos lief es ausgezeichnet. Bei keiner anderen Fraktion fiel das Plus mit 4,8 Prozentpunkten so deutlich aus wie bei den pinken Studierenden. Mit 11,2Prozent feiern sie, wie sie stets betonten, das beste Ergebnis einer liberalen Bewegung in Österreich. Die Provokation lohnte sich also. Die Junos hoben sich mit ihrer Forderung nach Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen deutlich von den anderen ab.

(c) Die Presse

4 An der Spitze der ÖH bleibt wahrscheinlich alles, wie es ist.

Der Wahlausgang ebnet den Weg für eine Fortführung der bisherigen linken Viererkoalition. Gras, FLÖ, VSStÖ und Fest haben gemeinsam 29 der 55 Mandate. Die Machtverhältnisse innerhalb dieser Viererkoalition verschieben sich durch das Ergebnis aber. Das könnte zur Zerreißprobe werden. Andere Varianten sind also noch nicht vom Tisch.

5 Das letzte Wort in Sachen Koalition ist aber noch nicht gesprochen.

Die einzigen beiden Fraktionen, die gemeinsam auf eine Mandatsmehrheit kommen, sind AG und Gras. Eine Zusammenarbeit der beiden bleibt ob der großen inhaltlichen Unstimmigkeiten aber ausgeschlossen. Gar nicht so unwahrscheinlich ist dagegen ein Zusammenschluss von AG, Junos und FLÖ. Zusammen hätten auch sie 29 Mandate. Unklar ist, ob sich die eher linke FLÖ auf eine solche Zusammenarbeit einlassen will. Am Wahlabend ließ sie sich – wohl auch aus taktischen Gründen – alle Optionen offen. Man schließe lediglich den blauen RFS aus (so, wie das auch alle anderen tun). Die Koalitionsfrage muss bis zur konstituierenden Sitzung am 26. Juni geklärt sein. Die neue Koalition beginnt dann am 1. Juli zu arbeiten.

6 Die Briefwahl rettet die Beteiligung nur vor dem Tiefststand.

Eines konnte die Briefwahl zumindest verhindern: Ohne die Stimmen, die per Brief abgegeben wurden, wäre die Wahlbeteiligung auf einem neuen Tiefststand gewesen. Mit 25,9 Prozent ist es jetzt die zweitschlechteste Beteiligung, nur 2007 war sie niedriger (25,7 Prozent). Ansonsten erfüllte die Briefwahl die Hoffnungen für eine höhere Beteiligung nicht: Nur 0,9 Prozent der Studierenden beantragten eine Wahlkarte. Dass die Bundesvertretung heuer wieder direkt gewählt werden konnte, lockte die Studierenden offenbar nicht zu den Urnen. Insgesamt dürften die Studenten an FH, PH und Privat-Unis die Wahlbeteiligung gedrückt haben. Von ihnen gingen tendenziell weniger zur Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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Kommentare

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