ÖH-Wahl

Rote Spitzenkandidatin: „Christian Kern ist das geringste Übel“

Hannah Lutz.
Hannah Lutz. (c) APA/HANS PUNZ
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Die VSStÖ-Spitzenkandidatin Hannah Lutz wirft SPÖ-Chef Kern vor, sich mit der Zustimmung zu Zugangsbeschränkungen „von den Grundwerten der Sozialdemokratie verabschiedet“ zu haben. Faire Aufnahmeverfahren gebe es nicht. 890 Euro brauchten Studenten mindestens zum Leben.

Die Presse: Für den roten VSStÖ sind Zugangsbeschränkungen ein absolutes No-go. Der SPÖ-Chef tritt aber dafür ein. Würden Sie, wenn nun Nationalratswahlen wären, überhaupt SPÖ wählen?

Hannah Lutz: Die SPÖ macht es uns derzeit echt nicht leicht. Das muss man so ehrlich und offen zugeben. Ich müsste überlegen, ob ich die SPÖ wähle, aber wahrscheinlich würde ich es machen.


Indirekt wählen Sie damit also Zugangsbeschränkungen?

Bei mir war es jedes Mal so, dass ich weniger aus Überzeugung gewählt habe, sondern, unter Anführungszeichen, das geringste Übel. Deshalb engagiere ich mich auch politisch, weil ich so die Parteilinie der SPÖ beeinflussen möchte.


SPÖ-Chef Christian Kern ist also das geringste Übel für Sie?

Kann man so sagen.


Sie würden Kern wählen. Ihre Vorgängerin, Barabara Blaha, hat damals aus Protest über die Wiedereinführung der Studiengebühren die Partei verlassen. Wäre das nicht konsequenter?

Ich habe den Weg gewählt zu versuchen, innerhalb der Partei etwas zu verändern.


Das scheint nicht zu gelingen?

Mit manchen Themen sind wir auf offene Ohren gestoßen. Bei anderen, wie dem offenen Hochschulzugang, hat sich der Parteivorsitzende von den Grundwerten der Sozialdemokratie verabschiedet.


Ist es nicht so, dass gerade Studenten aus sozial schwachen Familien unter den Verzögerungen, die durch den offenen Uni-Zugang entstehen, leiden?

Wir wollen, dass das Beihilfesystem endlich verbessert wird. Dadurch soll es gar nicht mehr dazu kommen, dass sich Studierende ein Studium nicht leisten können. Zugangsbeschränkungen wären dann nicht mehr als eine Hürde.


Viele argumentieren, dass Zugangsbeschränkungen auch als Orientierungshilfe für angehende Studierende dienen.

Wir haben ein Modell entworfen, bei dem Studierende drei Studienrichtungen inskribieren und nach einem Semester entscheiden können, welches Studium sie weiterführen. Das dient der Orientierung. Bei den Zugangsbeschränkungen heißt es immer: Sie müssen anders und fairer gestaltet sein als jetzt. Es hat nur niemand eine Idee, wie das gehen soll. Das liegt daran, dass es keine fairen Beschränkungen gibt.


Die Junos wünschen sich Motivationsschreiben und Bewerbungsgespräche statt punktueller Tests.

Motivationsschreiben gibt es teilweise schon jetzt. Das Problem ist, dass sie im Mai abgegeben werden müssen. Da sind die meisten Interessenten mitten in der Matura. Außerdem werden Motivationsschreiben meist gar nicht gelesen. Ich habe von Fällen gehört, bei denen Studierende in diesem Schreiben 30-mal den gleichen Satz geschrieben haben und trotzdem aufgenommen worden sind.


Sie fordern eine Erhöhung der Beihilfe. Wie viel Geld brauchen Studierende zum Leben?

Wir gehen vom Betrag der Ausgleichszulage aus, also rund 890 Euro im Monat. Diesen Betrag sieht die Regierung als existenzsichernd an. Weshalb sollte er das für eine Gruppe sein, und einer anderen mutet man zwei-, dreihundert Euro weniger zu?


Interessant ist, dass Sie sich inhaltlich von der SPÖ zu distanzieren versuchen. Ihre Kampagne sieht layouttechnisch aber wie der Plan A aus. Nur Zufall?

Die Kampagne hat ein Kollege gemacht. Wir waren zugegebenermaßen ziemlich fertig, als der Plan A präsentiert wurde und wir bemerkt haben, dass da eine Ähnlichkeit besteht. Uns hat die Kampagne aber so gut gefallen, dass wir uns trotzdem dafür entschieden haben.

Es wird oft diskutiert, in welche Bereiche sich die ÖH einmischen soll. Wie weit soll das allgemeinpolitische Mandat gehen?

Es gibt viele Themen, die zwar nicht nur Studierende betreffen, aber sehr wichtig für sie sind: zum Beispiel leistbares Wohnen. Wenn sich die ÖH hier nicht äußert, gibt es niemanden, der das tut. Ich würde aber schon eine gewisse Grenze ziehen: Das Thema muss schon einen Bezug zu Studierenden haben.


Überschreitet die Organisation von Bussen zum Akademikerball diese Grenze oder nicht?

Die ÖH-Bundesvertretung organisiert das nicht. Das machen lokale Hochschulvertretungen. Grundsätzlich ist rechtes Gedankengut auf Unis sehr gefährlich. Deswegen ist es kein Tabuthema für mich.

Zur Person

Hannah Lutz (22) ist Spitzenkandidatin des Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) bei der ÖH-Wahl, die von 16. bis 18. Mai stattfindet. Sie studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien. Bereits bei ihrer ersten ÖH-Wahl kandidierte Lutz für die Studienrichtungsvertretung am Juridicum. Seit 2016 ist sie hochschulpolitische Sprecherin des VSStÖ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)

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