Im Iglu schlafen, mit Wölfen tanzen

Im Iglu schlafen, mit Wölfen tanzen
Im Iglu schlafen, mit Wölfen tanzen(c) EPA (PETER STEFFEN)
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Im Seminarraum zu sitzen ist nicht die einzige Möglichkeit, Management-Skills zu erwerben. Immer mehr Anbieter setzen auf anspruchsvolle Outdoor-Aktivitäten, um bleibende Eindrücke zu schaffen.

Management-Trainings und-Coachings gibt es viele, aber längst nicht alle bringen bleibende Erfolge mit sich. Was den Unterschied zwischen mehr oder weniger wirkungsvollen Schulungen ausmacht, ist dabei nicht immer gleich ersichtlich. So viel steht aber fest: Es liegt nicht nur an der fachlichen Qualität der Inhalte, ob man ein Seminar in guter Erinnerung behält und auf Dauer davon profitiert.

Immer mehr Anbieter lassen sich deshalb Außergewöhnliches einfallen, um ihre Veranstaltung zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen: Sie bauen Extremsituationen in ihre Programme ein. Da klettern dann Führungskräfte und deren Teammitglieder in Eiswänden, bauen Iglus und Brücken oder gehen auf Tuchfühlung mit Wölfen. Die Idee dahinter ist einfach: Einzigartige Erlebnisse führen zu einer positiven Emotionalisierung der Trainees. Begleitet von professioneller Reflexion entstehen bleibende Eindrücke, die in den Management-Alltag mitgenommen werden.

Wolfsgehege, Klettergarten

Patricia Staniek, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Management Pilots, setzt bei ihren Trainings gern auf Situationen, die die Teilnehmer auf der Gefühlsebene ansprechen. Dazu gehört etwa der Besuch in einem Wolfsgehege im Rahmen ihres Workshops „Wolf Experience“. In einem anderen Training, das speziell auf Unternehmensteams zugeschnitten ist, heißt es dagegen: Ab in den Hochseilklettergarten.

Zuvor gelte es allerdings, anstehende Konflikte und Probleme zu lösen. Staniek tritt dabei als „liebevolle Provokateurin“ auf und versucht bewusst, schwelende Konflikte zum Ausbruch zu bringen. „Die Basis für Kooperation ist die Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre“, sagt sie. Nachsatz: „Die Mitglieder eines Teams müssen einander nicht lieb haben, aber miteinander kooperieren.“

Der Gruppendruck, der in heiklen Situationen entsteht, sei Goldes wert, vorausgesetzt, er könne im Sinne des Unternehmens genützt werden, sagt auch Wolfgang Güttel, wissenschaftlicher Leiter der Limak Business School. Im „Leadership Winter Summit“ auf der Tauplitz müssen Führungskräfte unter anderem unter Zeitdruck einen Iglu bauen, in dem sie dann auch übernachten. Dabei werde den Teilnehmern entweder einer der Ihren als Teamführer vorgesetzt, oder die Gruppe werde sich selbst überlassen – da gebe es, so Güttel, eine „Reihe von möglichen Szenarien“.

Auf erlebnisorientiertes Lernen setzt man auch an der WHU Otto Beisheim School of Management. Studenten des Executive MBA müssen zwei Tage im unwegsamen Gelände verbringen und dabei eine Reihe von Aufgaben erledigen, etwa unter der Aufsicht ehemaliger Bundeswehroffiziere eine Brücke bauen oder ein Lager errichten. Im Rahmen der Übung werden verschiedene Führungsstile angewendet. „In schwierigen Situationen muss einer die Verantwortung übernehmen“, erklärt Jürgen Wiegand, akademischer Leiter des MBA-Programms an der deutschen Eliteuniversität, den Hintergrund. Im Idealfall tue das der, der über die meiste Erfahrung verfüge und die Lage am besten einschätzen könne. Nachsatz des Experten: „Lange Diskussionen unter den Teammitgliedern sind da fehl am Platz.“

Auf Shackletons Spuren

Auf den Polarforscher Sir Ernest Shackleton geht ein von Management Pilots angebotenes Training zurück. Dem Forscher gelang es 1914 nur durch besondere Leadership-Skills, sein Team bei einer fehlgeschlagenen Expedition vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ein bis zwei Mal im Jahr können nun Manager auf den Spuren des geadelten Helden in – je nach Wetterlage unterschiedlichen – heimischen Höhen beim Iglubauen oder Eiswasserfischen an ihren Führungsfähigkeiten arbeiten. Ziel des Trainings in eisigen Höhen sei es, in einem optimalen Teammix eine Reihe von Aufgabenstellungen – etwa Schneeklettern – gemeinsam zu bewältigen und dabei die Fähigkeiten und Kooperationsfähigkeit der Teilnehmer von Übung zu Übung zu steigern, so Staniek. Sie selbst nimmt die Rolle einer externen Beobachterin ein. „Ich schaue auf die für den Prozess förderlichen und hinderlichen Verhaltensweisen und reflektiere diese mit den Teilnehmern“, erklärt sie. Die Teams werden für jede Aufgabe neu zusammengestellt, um die Bildung von fixen Gruppen zu vermeiden.

Ein wichtiger Teil des erlebnisorientierten Lernens ist die Reflexion und Aufarbeitung der in den Übungen gemachten Erfahrungen. „Dabei muss jeder Teilnehmer für sich ableiten, was er in den Alltag mitnehmen kann“, sagt Güttel. Nicht zuletzt aus eigener Erfahrung weiß er, dass Eindrücke, die etwa beim Bau eines Iglus oder bei einer Skitour in extremen winterlichen Verhältnissen gesammelt werden, „sehr lange präsent bleiben“. „Die Studenten sind über die Ergebnisse rundweg begeistert“, zieht auch Wiegand eine positive vorläufige Bilanz seiner Outdoor-Leadership-Einheit.

Profiler-Qualitäten

Betretene Pfade will Staniek bei ihren Coachings auch in Zukunft meiden. Derzeit lässt sie sich zum Profiler ausbilden. Aber nicht, um nach dem Erhalt der FACS-Zertifizierung (für: Facial Action Coding System) ihren Job als Trainerin an den Nagel zu hängen und sich künftig – wie der bekannte Profiler Thomas Müller – mit Serienmördern und anderen Verbrechern zu beschäftigen. Vielmehr will sie die gelernten Skills „ins Business hineinholen“. Also Führungskräften vermitteln, wie sie die Signale anderer – ihrer Mitarbeiter – erkennen und dieses Wissen für das Unternehmen einsetzen können. Entsprechende Trainings will sie im kommenden Jahr anbieten. Die internationale FACS-Zertifizierung ermächtigt sie dann auch, selbst andere zu zertifizieren.

Auf einen Blick

Muss man wirklich mit Wölfen tanzen, um eine bessere Führungskraft zu werden? Oder sich extrem ungemütlichen Temperaturen aussetzen, um als Team erfolgreicher zu werden?
Aus dem Alltag auszusteigen, den Spaßfaktor und vor allem den Nervenkitzel nicht zu vergessen ist ein uraltes Rezept. Bei Extremsituationen ändert sich der Gehalt von körpereigenen Botenstoffen, etwa Adrenalin, im Blut. Die Spannung steigt, die Aufmerksamkeit fokussiert sich auf den Moment – und auf die Anwesenden. Wohldosiert können gemeinsame Erlebnisse daher durchaus mehr Erkenntnisse und Teambildung bringen als die wohlbekannte Gesprächssituation im Konferenzzimmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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